Ära Groer war Folge eines "Einschätzungsfehlers" Roms
Umstrittene Bischofsernennungen wie jene von Hans Hermann Groer oder Kurt Krenn, die die katholische Kirche Österreichs vor 30 Jahren in schwere Turbulenzen brachten, fußten nach Überzeugung von Kardinal Christoph Schönborn auf einem "Einschätzungsfehler" Roms. Es habe die Sorge bestanden, dass die Kirche unter Kardinal Franz König "einen allzu liberalen Weg geht", auch Papst Johannes Paul II. hätte diese Überzeugung geteilt. Und es habe Leute gegeben, "die die Situation der Kirche in Österreich als katastrophal dargestellt haben - was sie nicht war", aber dennoch zu Korrekturversuchen durch Rom geführt habe, erinnerte Schönborn am Dienstagabend in einem Beitrag im ORF-"Report" anlässlich des Beginns der "Ära Groer" vor 30 Jahren.
Hans Hermann Groer (1919-2003), der Vorgänger Schönborns, wurde am 14. September 1986 Wiener Erzbischof und blieb dies bis September 1995. Die letzten Monate seiner Amtszeit waren von schwerwiegenden Vorwürfen wegen sexuellen Missbrauchs überschattet, woraufhin Rom Christoph Schönborn im April 1995 zum Erzbischof-Koadjutor mit dem Recht auf Nachfolge ernannte.
Gegenüber den Missbrauchsvorwürfen habe er eine völlig andere Linie vertreten als der damalige St. Pöltner Bischof Kurt Krenn (1936-2014), sagte der Kardinal im "Report"-Interview: "Das Beschuldigen von Opfern ist das Schlimmste, was man tun kann. Über diesen Punkt sind wir (Krenn und Schönborn, Anm.) sehr in Konflikt geraten." Er habe Bischof Krenn "in mancher Hinsicht geschätzt", so Schönborn, "aber der Weg, den er zu gehen versucht hat, hat sich als Sackgasse erwiesen".
Als Erzbischof von Wien sei es für ihn "manchmal wirklich eine Zerreißprobe" gewesen, so Kardinal Schönborn im Rückblick: "In Rom zu erklären, wir sind noch katholisch, und bei uns den Heißspornen oder auch den kämpferischen Konservativen zu sagen: Bitte, wir gehen einen gemeinsamen Weg, wir gehen den Weg mit Rom", ohne einander in Konflikten aufzureiben.
In der "Causa Groer" blieb Schönborn klar: Gemeinsam mit seinen Bischofskollegen Johann Weber, Georg Eder und Egon Kapellari hielt er 1998 in einer Stellungnahme fest, sie seien zur "moralischen Gewissheit" gelangt, dass die Vorwürfe gegen Groer "im Wesentlichen zutreffen". Der Vorsitzende der Bischofskonferenz war auch maßgeblich an Aufarbeitungs- und Präventionsmaßnahmen beteiligt, als 2010 erneut Missbrauchsskandale die Kirche erschütterten.
Quelle: kathpress