Caritas startet Herbstsammlung für Not im Inland
Die Caritas hat ihre Herbstsammlung für Menschen, die in Österreich in Not geraten, gestartet. In den einzelnen Diözesen findet in diesen Tagen unter dem Kampagnen-Motto "Hoffnung > Verzweiflung" der Auftakt zur auch als "Elisabethsammlung" bezeichneten Initiative statt. Dabei wird auf die schwierige Lebenssituation jener Armutsbetroffenen hingewiesen, denen die Sammlung zugutekommt. "Wenn wir Armut auch nicht abschaffen werden können, können wir dennoch verhindern, dass ihre Folgen große Probleme hinterlassen. Daran sollten wir gemeinsam arbeiten", appellierte Caritasdirektor Hannes Ziselsberger in St. Pölten, wo die Inlandshilfe-Sammlung am Donnerstag offiziell startete.
Eineinhalb Millionen Menschen in Österreich gelten als armuts- und ausgrenzungsgefährdet, wobei die Caritas den Blick besonders auf Familien lenkt: vor allem auf Kinder und Jugendliche in Ein-Eltern-Haushalten, Familien mit drei und mehr Kindern und Menschen mit Migrationshintergrund. 70.000 Minderjährige sind auf Mindestsicherung angewiesen. Für die Caritas ist Not in frühen Jahren ein "Start ins Leben einen Meter hinter der Startlinie": Schließlich würden sich Kinder aus sozial benachteiligten Familien meist in der Schule viel schwerer tun, sie seien öfter krank und eher ausgegrenzt als ihre Alterskollegen. Schlechtere Bildung gehe im späteren Leben oft mit Arbeitslosigkeit einher.
Wie sich Armut für viele Menschen auch in "reichen" Gegenden konkretisiert, verdeutlichte die Salzburger Caritas mit einer in dieser Woche veröffentlichten Studie: Jede siebte Salzburger Familie sei von Armut betroffen, allen voran Haushalte mit über drei Kindern und Alleinerzieher. Sie haben einen im Vergleich deutlich geringeren Lebensstandard, und Freizeitaktivitäten für Kinder oder die notwendige Brille werden hier ebenso schnell zum finanziellen Problem wie unerwartete hohe Ausgaben wie etwa der Kauf einer neuen Waschmaschine oder auch Nachhilfeunterricht. Zu schaffen macht den Familien laut Studie besonders die steigende Wohnungsnot, sind doch die Wohnkosten nur für ein Drittel aller Salzburger Familien keine Belastung. Viele finden keine geeignete, leistbare Wohnung und leben in überbelegten.
Studie: Arm-Reich-Schere wächst
Die Schere zwischen Arm und Reich wird den Ergebnissen zufolge immer größer: Ist auch das durchschnittliche Haushaltseinkommen in den vergangenen zehn Jahren um zehn Prozent gestiegen, so gibt es bei den beiden gefährdeten Gruppen hingegen Verluste - durchschnittlich um kaufkraftbereinigte 1.000 Euro jährlich bei Familien mit mindestens drei Kindern, sowie sogar um 1.400 Euro weniger bei Ein-Eltern-Haushalten, zeigt die Studie, die auf empirischen Daten und einer Online-Umfrage von 121 Sozialarbeiter basiert. Die reichsten zehn Prozent haben hingegen um 2.000 Euro mehr.
Anschaulich zeigen die Studienautoren die Problemlage anhand des Beispiels einer konkreten Familie auf: Denis N. und seine Frau Jasminka leben von der Mindestsicherung und haben zwei kleine Kinder, 5 Jahre und 14 Monate alt. Denis konnte krankheitsbedingt länger nicht arbeiten, Jasminka verlor nach Karenzende und kurzer Arbeitstätigkeit bei ihrem alten Arbeitgeber ihre Stelle. Gleichzeitig stand der Umzug in die dringend benötigte größere Wohnung bevor. Die Kaution von rund 2.000 Euro konnte die Familie nicht mehr aufbringen und musste eine private Anleihe aufnehmen, zusätzlich belasten Schuldentilgungsraten und hohe Energiekosten den Geldbeutel der Familie. Die Familie würde nur durch Mindestsicherung deutlich unter der Armutsgrenze leben und kommt mit Familienbeihilfe knapp darüber, wobei nach Abzug aller Fixkosten 23 Euro täglich für Lebensmittel, Kleidung und sonstige Alltagsbesorgungen liegt.
Soziale Infrastruktur
Gesellschaft gelingt nur mit einer "sozialen Infrastruktur", betonte der St. Pöltner Caritasdirektor Hannes Ziselsberger. Für diese brauche es eine "existenzsichernde Absicherung jeder Person", eine "professionelle Handreichung für jene, die sich aus der Armut herausarbeiten wollen oder die in ihrer konkreten Nota alleine nicht mehr herausfinden", sowie auch eine "Gesellschaft, die sich sozial engagiert". Sein Appell an die Politik: Angesichts von 400.000 Arbeitslosen und 100.000 verfügbaren Stellen sei mehr als der Ruf nach Arbeitsanreizen oder "Neiddebatten" über Kürzungen der bedarfsorientierten Mindestsicherung nötig. Letztere sei als "letztes Netz" erforderlich, um Grundbedürfnisse von Wohnen, Heizung, Nahrung und gewissen gesellschaftlichen Anschluss sicherzustellen.
Die St. Pöltner Caritas betreibt vier Sozialberatungsstellen, in Amstetten, St. Pölten, Krems und Waidhofen/Thaya. Menschen in Not werden nach genauer Überprüfung der jeweiligen finanziellen Situation unterstützt, u.a. mit Gutscheinen für das Notwendigste; 2015 hätten 5.000 Menschen von der Caritas Kleidung sowie 2.300 Haushalte Lebensmittelgutscheinen und Zuschüsse für Energiekosten bekommen. Die Inlandskampagne erbrachte laut Caritas auf dem Diözesangebiet im Vorjahr 147.000 Euro Spenden, wobei zwei Drittel davon aus der Kirchensammlung stammten. (Spendenkonto: Raiffeisenbank St. Pölten, IBAN: AT28 3258 5000 0007 6000, Verwendungszweck: Inlandshilfe)
Auch die Salzburger Caritas lieferte Einblicke in ihr Wirken: Neben der Sozialberatung werden Lerncafes geboten, in denen Kinder einen Platz zum Lernen und Hilfe bei den Hausaufgaben erhalten. 70 Obdachlose finden im neueröffeneten Haus Franziskus einen Platz zum Schlafen sowie auch Langzeitarbeitssuchende einen Arbeitsplatz. Die Forderungen von Caritas-Direktor Johannes Dines: Noch mehr Beratungs- und Betreuungsangebot, preiswerter Wohnraum sowie eine Anpassung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung, bei deren Bezug man derzeit nur mithilfe anderer Familienleistungen die finanzielle Armutsgrenze überschreiten könne. (Spendenkonto: Raiffeisenverband Salzburg, IBAN: AT11 3500 0000 0004 1533, Verwendungszweck: Inlandshilfe)
Begleitend zur Inlandssammlung hat die Caritas diese Tage auch ihre österreichweite Kampagne "Wir > Ich" gestartet. Man wolle der Angst, sozialen Kälte und dem Vertrauenslust in der Gesellschaft entgegenwirken, seien doch in Not geratene Menschen am härtesten von der Polarisierung und von Zukunftsängsten betroffen, hieß es. Unter demselben Zeichen stehen auch Vorschläge für die Gestaltung von Gottesdiensten zum "Elisabethsonntag" am 13. November, die etwa die Caritas Wien auf ihrer Homepage anbietet.
Online-Spenden: www.caritas.at/inlandshilfe
Quelle: kathpress