Kardinal Schönborn trifft Angehörige von IS-Opfern
20 junge ägyptische Kopten und ein Afrikaner aus Ghana waren wegen ihres christlichen Glaubens im Februar 2015 in Libyen von IS-Terroristen bestialisch ermordet worden. Kardinal Christoph Schönborn besuchte am Samstag im Rahmen seiner Ägyptenreise die Angehörigen der Opfer in der oberägyptischen Stadt Samalut im Gouvernorat Minya. Er zeigte sich tief erschüttert über die Bluttat, zugleich aber auch tief bewegt über die Standhaftigkeit der Ermordeten und mit welcher Glaubensstärke die Familienangehörigen ihr Schicksal ertragen. Diese hätten vor allem auch der Versuchung des Hasses und der Rache widerstanden, so Schönborn.
"Ihr alle und eure ermordeten Männer, Väter, Söhne und Brüder legt Zeugnis dafür ab, dass Liebe und Glaube stärker sind als der Hass", sagte der Kardinal in Richtung der mehr als 100 Frauen, Kinder und Männer, die sich im Haus des koptischen Bischofs von Samalut eingefunden hatten. Das sei ein Geschenk der koptischen Christen an die ganze Welt. Schönborn nahm sich Zeit für die Geschichte jeder einzelnen Familie und segnete alle Anwesenden.
Die 21 Opfer waren als Gastarbeiter in Libyen beschäftigt und auf dem Heimweg nach Ägypten. Sie wurden bei zwei Angriffen der Gruppe Ansar al-Scharia, die sich im Oktober 2014 dem IS angeschlossen hatte, im Dezember 2014 und Jänner 2015 entführt. Die Terroristen versuchten die Männer durch Folter zum Übertritt zum Islam zu bewegen. Doch alle blieben standhaft. Innerhalb der christlichen Gemeinde in Samalut kursieren Tonaufzeichnungen der Folter, die diese Tortur und die Standhaftigkeit der Gefangenen dokumentieren.
Die Tat wurde über ein Internetvideo bekannt. Der fünfminütige Film wurde am 15. Februar 2015 unter dem Titel "Eine in Blut geschriebene Nachricht an die Nation des Kreuzes" verbreitet. In dem Video ist zu sehen, wie schwarz gekleidete Männer die einheitlich in orangefarbene Overalls gekleideten Opfer an einen Strand schleppen. Ein Sprecher der Gruppe sagt, man stünde "heute im Süden Roms, in Libyen". An den Westen adressiert erklärt er: "Wir werden das Meer mit eurem Blut tränken." Im Anschluss ist zu sehen, wie die Extremisten die Opfer enthaupten; einen nach dem anderen, wohl auch in der Berechnung, dass der eine oder andere angesichts des Todes seiner Kameraden noch klein beigeben und zum Islam übertreten werde. Experten hielten das Video sofort für authentisch.
Wie der örtliche koptisch-orthodoxe Bischof Pavnotius sagte, waren die Opfer einfache Männer aus armen Verhältnissen ohne besondere geistliche Ausbildung, umso stärker sei aber ihr Glaube gewesen. Die koptisch-orthodoxe Kirche erklärte die Ermordeten zu Märtyrern, ihr Gedenktag wird jeweils am 15. Februar begangen, Heiligsprechungsverfahren sind im Laufen. Ihr Martyrium und Glaubenszeugnis stärke alle Christen in Ägypten, betonte der Bischof. Die meisten der Männer waren nicht älter als 25.
"Ihr Gott ist mein Gott"
Bei den Recherchen über die Märtyrer stellte sich heraus, dass es ursprünglich um 20 koptische Gefangene der IS-Terroristen ging. Der 21. Märtyrer sei ein Bürger aus Ghana gewesen, wie Bischof Pavnotius berichtete, eigentlich ein Nichtchrist. Angesichts der Bekenntnistreue der Kopten habe er auf die Frage der IS-Terroristen, ob er Jesus als "wahren Gott und wahren Menschen" bekenne, geantwortet, "ihr Gott ist mein Gott", obwohl ihm bewusst gewesen sei, dass er damit sein Leben verwirkt hatte.
Die koptische Kirche hat im Gedenken an die 21 Opfer ein Buch herausgegeben. Über den Mann aus Ghana, der Matthew hieß, steht geschrieben: "Wir wissen nicht, wann oder wo Matthew geboren wurde, aber wir wissen eines: Er wurde geboren, um Zeugnis für Christus zu geben und hinzuzukommen zu unseren Märtyrern im Himmel."
Die Stadt Samalut, aus der die Opfer stammen, liegt rund 250 Kilometer südlich von Kairo und zählt 600.000 Einwohner. Während in ganz Ägypten der Anteil der christlichen Minderheit bei etwa zehn Prozent liegt, sind in Samalut ein Drittel der Bevölkerung Christen.
Kirchenbau in Samalut
Der ägyptische Präsident Abdelfattah al-Sisi hatte sofort nach dem Bekanntwerden des Massenmordes militärische Aktionen gegen die Terroristen in die Wege geleitet, dem koptischen Patriarchen Tawadros II. kondoliert und seinen Ministerpräsidenten zu den Familien der Ermordeten geschickt. Er kündigte auch an, zum Gedenken an die Märtyrer eine Kirche zu bauen. Das Gotteshaus wird derzeit am Stadtrand von Samalut errichtet. Kardinal Schönborn besichtigte die Baustelle.
Der Wiener Erzbischof hält sich seit Freitag zu einem mehrtägigen Besuch in Ägypten auf. Begleitet wird er u.a. vom koptischen Bischof von Österreich, Anba Gabriel, und dem Wiener Bischofsvikar Dariusz Schutzki. Die Reise dient vor allem der Vertiefung der Beziehungen zwischen der katholischen und koptischen Kirche. Kardinal Schönborn trifft aber auch mit Vertretern des Islam zusammen.
Quelle: kathpress