Schönborn pocht auf Religionsfreiheit
Zwischen 500.000 und 600.000 Muslime leben derzeit in Österreich, davon sind etwa 80 Prozent österreichische Staatsbürger. Eine gesellschaftliche Größe, an der niemand mehr vorbeikommt. So ist auch für Kardinal Christoph Schönborn klar, dass der Islam fixer Bestandteil der österreichischen Gesellschaft ist. "Unsere österreichischen muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürger gehören zu Österreich", betont Schönborn immer wieder.
Die Grundhaltung des Kardinals: Er steht für einen offenen und ehrlichen Dialog mit dem Islam bzw. den Muslimen - auf Basis des gegenseitigen Respekts und der Einhaltung der Religionsfreiheit. Der österreichische Weg sei jener des "Miteinanders und der Religionsfreiheit". Und diesen Weg möchte der Kardinal weltweit verwirklicht sehen.
Der Schlüssel für ein gutes Zusammenleben ist für Schönborn eindeutig die Achtung der Gewissens- und Religionsfreiheit. Sowohl das Christentum als auch der Islam hätten einen universalen Missionsauftrag und beide Religionen wie auch alle anderen hätten das Recht, für ihren Glauben zu werben. Freilich: stets auf Basis der Religionsfreiheit, also ohne Zwang.
Muslime, die nach Österreich kommen, müssten diese Werte kennenlernen und auch akzeptieren. Deswegen sage er auch deutlich Ja zur Vermittlung eines entsprechenden Wertekatalogs an Flüchtlinge, sagte Schönborn etwa in der ORF-Pressestunde (März 2016).
Was der Kardinal darunter konkret versteht, wird etwa in der jüngst erschienenen Broschüre "Grüß Gott in Österreich" deutlich, die an die muslimischen Flüchtlinge bzw. Migranten gerichtet ist. Österreichische Traditionen, Symbole, Brauchtum sowie Feste und die Grundlagen des christlichen Glaubens sind Themen der Broschüre, die von der Katholischen Kirche gemeinsam mit dem Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) herausgegeben wird. Bewusst wird auf Basisinformationen in einfacher Sprache (Deutsch/Arabisch bzw. Deutsch/Farsi) gesetzt. "Wir sprechen darin auch von den Grundlagen unseres Zusammenlebens wie Religions- oder Meinungsfreiheit, an denen wir festhalten - und die daher von all jenen, die neu in Österreich sind, verstanden werden müssen", so Schönborn. Das sei essenziell für ein friedliches Zusammenleben in Österreich.
Dass immer mehr Muslime nach Österreich kommen und dass damit der Islam als Religion immer mehr Einfluss gewinne, bereite vielen Sorge, räumt der Kardinal ein. Aber: Das dürfe kein Vorwurf an die Muslime sein, sondern müsse als ernste Anfrage an Österreich aufgefasst werden. "Wir können doch nicht den Muslimen vorwerfen, dass sie von ihrer Religion überzeugt sind, aber wir müssen uns ernsthaft fragen, ob wir nicht gerade unser christliches Erbe verspielen", sagte Schönborn etwa vor Kurzem im "Kathpress"-Interview: "Ein glaubwürdiges Christentum braucht den Islam nicht zu fürchten."
Mehrmals nahm der Kardinal auch öffentlich Stellung, wenn es wieder irgendwo in Österreich Aufregung um die Errichtung eines Minaretts gab. Es sei das Recht einer gesetzlich anerkannten Religion, im öffentlichen Raum präsent zu sein und Gotteshäuser zu bauen, so der Kardinal. Er hält nichts von Aufregung darüber.
Dialog statt Konfrontation
Kritik übt Schönborn immer wieder an islamischen Ländern, in denen Religionsfreiheit "bestenfalls auf dem Papier" bestehe. So sprach er etwa auch in einer ORF-Pressestunde im Dezember 2008 von einem Skandal, dass in einem islamisch dominierten Land wie Saudi-Arabien mindestens eine Million Katholiken, die in dem Land arbeiten, keinerlei Religionsfreiheit haben.
Doch auch in diesem Fall sucht der Kardinal nicht die direkte Konfrontation sondern den Dialog. Bei der feierlichen Eröffnung des umstrittenen König-Abdullah-Dialogzentrums (KAICIID) in Wien im November 2012 meinte Schönborn, dass es zum Dialog keine Alternative gebe. Es sei jede Initiative zu begrüßen, die einen ehrlichen Dialog der Religionen wollen. Er habe zudem die konkrete Hoffnung und Erwartung, dass im Rahmen des KAICIID die weltweite Situation der bedrängten und verfolgten Christen angesprochen werde, sagte der Wiener Erzbischof.
Das KAICIID wurde durch ein völkerrechtliches Abkommen zwischen Spanien, Österreich und Saudi-Arabien ins Leben gerufen. Finanziert wird die Einrichtung fast ausschließlich von Saudi-Arabien.
Auch als nach weiteren schweren Menschenrechtsverletzungen in Saudi-Arabien von vielen Seiten die Schließung des KAICIIDs gefordert wurde, hielt der Kardinal der Einrichtung die Stange und sprach sich gegen eine Schließung des Zentrums aus. "Gerade jetzt braucht es Brücken zwischen den Kulturen und Orte des Dialogs, vor allem dort, wo Entwicklungen besonders notwendig und die Beziehungen problematisch sind." Die österreichischen Behörden müssten Institutionen wie dem KAICIID gegenüber selbstverständlich wachsam sein und genau hinschauen. Einfach zusperren wäre aber gerade jetzt kontraproduktiv", so Schönborn im Jänner 2015.
Kardinal nimmt Muslime in die Pflicht
Wie in der Causa KAICIID deutlich wird, nimmt der Kardinal im Religionsdialog auch sein Gegenüber in die Pflicht: Er erwarte sich "klarere Stellungnahmen von islamischen Autoritäten" gegen Terrorakte, die im Namen der Religion verübt werden, so Schönborn beispielsweise in einem "Standard"-Interview 2015. "Der Terror hat zurzeit ein islamisches Etikett - ob zu Recht oder nicht", die Gewaltakte der jüngeren Vergangenheit stammten von Muslimen, nicht von Christen, Ex-Christen oder Menschen anderer Religionen. Nach den Worten des Kardinals ist das "ein großes Problem für den Islam, mit dem er sich auseinandersetzen muss".
Mit der Frage, inwieweit der Terrorismus innerislamische Wurzeln hat, müsse man aber vorsichtig umgehen. Es dürfe z.B. auch nicht vergessen werden, "dass die größte Zahl an Opfern des Terrors Muslime sind", so Schönborn.
Schutz der Kopten
Schönborn tritt auch öffentlich immer wieder für Religionsfreiheit auf. Nicht zuletzt ist dies auch deshalb von großer Bedeutung, da es in Österreich und vor allem im Großraum Wien viele Angehörige christlicher Kirchen gibt, deren Kernland in muslimisch dominierten Ländern liegt; beispielsweise die koptisch-orthodoxe Kirche.
So nahm Schönborn beispielsweise 2011 an einer Demonstration der koptischen Christen in Wien teil, in der er vehement "den Schutz von Kirchen und Christen, volle Gleichberechtigung von Christen und Muslimen und die lang ersehnte Gerechtigkeit für alle" in Ägypten einforderte.
Zum Prinzip der Gewissens- und Religionsfreiheit gehört es auch, dass jeder Mensch selbst über seine Religionszugehörigkeit entscheiden darf - ohne mit negativen Folgen rechnen zu müssen. In der bereits zitierten ORF-Pressestunde bestätigte der Kardinal diesbezüglich, dass es immer mehr Muslime gebe, die zum Christentum konvertieren wollen.
"Auch ich habe schon viele Muslime getauft", erklärte Schönborn und verwies gleichzeitig auf die klaren kirchenrechtlichen Regeln dafür. "Wir prüfen sehr genau, ob es eine ehrliche Konversion ist." Daher müssten alle erwachsenen Taufbewerber ein mindestens einjähriges Katechumenat absolvieren, bevor die Taufe gespendet wird.
Interreligiöse Zusammenarbeit
Wie sehr dem Wiener Erzbischof das gute Zusammenleben zwischen allen Religionen im Land ein Anliegen ist, wird auch an der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule (KPH) Wien/Krems deutlich. Seit einigen Wochen werden an der KPH christliche, muslimische und jüdische Religionslehrer für die Volksschule in den allgemeinpädagogischen Fächern wie Didaktik oder Erziehungswissenschaften gemeinsam unterrichtet - eine einzigartige Einrichtung bzw. Initiative. Die Erzdiözese Wien ist einer der maßgeblichen Träger dieser Bildungseinrichtung.
Schönborn begrüßte das neue Projekt ausdrücklich. Es sei gut und notwendig, "dass sich in Österreich Religionsunterricht und die Ausbildung der Pädagogen nicht hinter verschlossenen Türen abspielen, sondern im öffentlichen Bereich".
Ein weiteres Aktivitätsfeld des Kardinals: Er ist als Wiener Erzbischof auch Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung "Pro Oriente", die sich seit vielen Jahren u.a. auch intensiv dem Dialog mit dem Islam verschrieben hat.
Zu Gast in muslimischen Ländern
Kardinal Schönborn ist auch in muslimisch geprägten Ländern unterwegs. Als erster Kardinal traf er beispielsweise 2001 im Iran mit der religiösen und weltlichen Führung des islamischen "Gottesstaates" zusammen. Damals eine auch international viel beachtete Begegnung.
Im Oktober 2008 besucht Schönborn die Türkei und hielt u.a. in Ankara an der islamisch-theologischen Fakultät einen Vortrag über "das Verhältnis von Religion und Staat in der Sicht der katholischen Kirche". Dabei machte der Kardinal deutlich, dass die katholische Kirche für die notwendige Unterscheidung von weltlichem und religiösem Bereich eintritt.
Im November 2014 war der Wiener Erzbischof im Libanon und im März 2016 im Nordirak zu Gast, wobei seine Besuche in beiden Fällen aber vor allem als Solidaritätsbekundung mit den christlichen Minderheiten vor Ort galten.
Zum Jahreswechsel 2004/05 war Schönborn nach Indonesien, dem bevölkerungsreichsten muslimischen Land der Welt, gereist. Der Besuch war angesichts des verheerenden Tsunamis, der die Region nur wenige Tage zuvor getroffen hatte, zu einem international viel beachteten Solidaritätsbesuch geworden. Der Kardinal reiste in die damals vom Erdbeben bzw. der folgenden Flutwelle am stärksten betroffenen Regionen und rief zur Hilfe für die notleidende Bevölkerung auf, Christen wie Muslime.
Quelle: kathpress