Kirchenrüge an Kampagne gegen "Arbeitsunwillige"
"Bitte melden Sie uns Arbeitsunwillige": Dieser Aufruf, den die Wirtschaftskammer im Rahmen einer aktuellen Kampagne an Unternehmen richtet, stößt bei Kirchenfachleuten auf Kritik. Es sei nicht nur "oberflächlich", sondern "eigentlich ein Aufruf zur Unmenschlichkeit", jene Menschen an den Pranger zu stellen, die sich um einen Job bewerben, ihn aber "scheinbar" nicht wollen, wies Christian Winkler, Leiter der Bischöflichen Arbeitslosenstiftung der Diözese Linz, am Dienstag gegenüber "Kathpress" hin. Es gehe bei der Kampagne nicht um eine bessere Abstimmung von Stellenausschreibung und Qualifikation sondern darum, vermeintlich "Arbeitsunwillige" zu erfassen und zu sanktionieren.
Die genauen Kriterien der Arbeitsunwilligkeit würden seitens der Wirtschaftskammer nicht näher erläutert, bemängelte Winkler auch in der aktuellen Ausgabe des "Infos" der Bischöflichen Arbeitslosenstiftung. Die Wirtschaftskammer vertraue hier auf das "Gefühl" der Personalverantwortlichen. Kämen diese zum Urteil, ein Bewerber wolle den Job gar nicht wirklich, sondern sei nur gekommen, "um den Stempel abzuholen", könne dessen namentliche Meldung gravierende Folgen haben: Als Sanktion werde das Arbeitslosengeld für mindestens vier Wochen gestrichen und der Druck dadurch massiv erhöht.
Statt Betroffene "abzustempeln", ohne ihre Gründe genau zu kennen, müssten in einer menschlichen Arbeitswelt Unternehmen, die dringend Arbeitskräfte suchen, Bewerbern mit Interesse, Offenheit und auch mit Verständnis für belastende Erfahrungen, forderte der kirchliche Experte für Arbeitslosigkeit.
"Nicht wollen" ist oft "Nicht können"
Winkler weiß, dass ein "Nicht wollen" in vielen Fällen ein "Nicht können" ist. Die physischen und psychischen Erwartungen der Betriebe an die Arbeitnehmer seien oftmals überfordernd. Meist seien Sparten mit Personalnot genau jene mit den schlechteren Bedingungen für potenzielle Arbeitnehmer. Diese hätten z.B. in der Gastronomie Wochenend- und Abenddienste oder niedrige Entlohnung trotz hohem Stresspegel "als Selbstverständlichkeit zu akzeptieren".
In den Personalbüros von Unternehmen seien die Hintergründe des "Nicht-Könnens" meist nicht ersichtlich. "Natürlich hätte man lieber keinen Bandscheibenvorfall Ende 30 gehabt und natürlich wäre es besser, nach drei Jahren in Österreich schon perfektes Deutsch zu sprechen oder die Depression aufgrund der Scheidung nach 20 Jahren Ehe einfach zu unterdrücken", schilderte Winkler Beispiele für Hemmnisse. "Doch dies ist nicht möglich, denn hinter jedem Menschen steht eine Biographie." Viele Menschen würden aufgrund ihrer Lebensgeschichte, ihrer gesundheitlichen Einschränkungen, ihrer fehlenden Ausbildung die Erfahrung machen, dass sie in der Arbeitswelt keinen Platz finden können.
Viele Betroffene haben laut Winkler bereits eine lange Zeit der Arbeitssuche mit Hunderten erfolglosen Bewerbungen hinter sich, seien zermürbt und geprägt vom Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden. Ablehnung habe oft mit Angst zu tun, erklärte der Kirchenexperte: "Lehne ich einen Arbeitsplatz ab - oder vielmehr die Bedingungen eines Arbeitsplatzes - so steckt oftmals die Frucht dahinter, durch das Akzeptieren über die eigenen Grenzen gehen zu müssen oder die Würde zu verlieren. Die Furcht vor Entwürdigung lässt uns Situationen ablehnen, bevor wir sie genau kennen."
Auch Bischof lehnte Stimmungsmache ab
Für den Linzer Diözesanbischof Manfred Scheuer muss die Kirche zu einem Klima beitragen, "in dem die Schuld nicht bei den arbeitslosen Menschen selbst gesucht wird", und allem entgegenwirken, was Arbeitslosigkeit an sozialem Ausschluss mit sich bringe. Im vorangegangenen "Infos" der Bischöflichen Arbeitslosenstiftung plädierte Scheuer für einen Bewusstseinswandel: "Wir sind schnell dabei, Menschen einzukasteln in Kategorien wie leistungsfähig oder weniger leistungsfähig", die Menschenwürde sei aber universal. Identität sei "viel zu eng" an Erwerbsarbeit geknüpft und der Verlust dieser führe zu enormen Identitätskrisen. Aufgabe der Kirche sei es, das Thema aus der Tabuecke zu holen, "die Finger in die Wunde zu legen und schonungslos Fehlentwicklungen aufzuzeigen".
Quelle: kathpress