"Mindestsicherung reformieren, nicht diffamieren"
"Die Mindestsicherung gehört reformiert, nicht diffamiert". Das betont Caritas-Präsident Michael Landau in einem Interview für die "Tiroler Tageszeitung" (Freitag-Ausgabe). "Die Art und Weise, wie manche Politikerinnen und Politiker die Diskussion führen, vergiftet das Klima. Menschen werden gegeneinander ausgespielt, statt den sozialen Zusammenhalt zu fördern. Das ist zum Schaden aller", so Landau wörtlich. Besonders störe ihn, dass immer wieder von einer "sozialen Hängematte" die Rede sei. "Wer das sagt, hat von der Realität dieser Menschen keine Ahnung." Es gelte mit dem "Mythos" aufräumen, dass die Mindestsicherung so etwas wie ein bedingungsloses Grundeinkommen sei. Es gebe strenge Auflagen, so Landau: "Das Auto ist weg, das Vermögen muss verwertet werden."
Den Politikern, die über die Zukunft der Mindestsicherung verhandeln, bietet er das Wiener Obdachlosenzentrum "Gruft" als Ort für Verhandlungen an, damit sie sich ein Bild von der Realität machen könnten.
Wenn kritisiert wird, dass Löhne und Mindestsicherung zu nahe beisammenliegen, dürfe die Antwort nicht sein, die Mindestsicherung zu senken. Stattdessen müssten jene entlastet werden, die nur geringe Einkommen haben - indem etwa die Beiträge zur Sozialversicherung und damit die Lohnnebenkosten gesenkt werden, so der Caritas-Präsident.
Landau hält auch nichts davon, die Höhe der Mindestsicherung von der Dauer des Aufenthalts in Österreich abhängig zu machen. "Wer das fordert, hat die Grundstruktur des Sozialsystems nicht verstanden." Neben dem Versicherungsprinzip gebe es auch das Grundversorgungsprinzip, demzufolge alle Menschen in Österreich ein Leben in Würde haben sollten. "Wir haben uns als Gesellschaft geeinigt, dass Menschen nicht auf der Straße schlafen sollen, dass Kinder nicht zum Betteln geschickt werden und dass Menschen nicht gezwungen sein dürfen, ihr Essen im Müll zu suchen", erinnerte Landau.
Fünf Forderungen für Reform
Seine Forderungen für die Reform der Mindestsicherung fasste Landau in fünf Punkten zusammen: An erster Stelle steht die Forderung nach einem Fortbestand einer österreichweit einheitlichen Regelung. Punkt zwei betrifft Verbesserungen in der Abwicklung der Mindestsicherung. Dies müsse für die Betroffenen unter einem Dach mit dem Arbeitsmarktservice zusammengeführt werden. "Wenn der Vollzug nicht klappt, kann man das nicht den Betroffenen anlasten."
Drittens fordert Landau eine "Transparenzoffensive", um falschen Mythen und Behauptungen vorzubeugen. Er wünscht sich einen gesetzlichen Auftrag an Bund und Länder, Zahlen zur Mindestsicherung regelmäßig und vor allem vergleichbar offenzulegen. Im Vorjahr etwa hätten 285.000 Menschen Mindestsicherung bezogen - drei von vier aber als Zuzahlung und nicht als alleiniges Einkommen. Landau: "Es ist ein Mythos, dass die Menschen davon leben."
Viertens appelliert Landau, die Mindestsicherung an der "Lebensrealität der Menschen" auszurichten. Vor allem müssten die Wohnkosten "vernünftig und menschenwürdig" abgedeckt werden. Dies könne auch in Form einer Sachleistung geschehen - dann wäre auch vorstellbar, die Geldleistung nach der Personenanzahl zu staffeln und zu verringern. Einen "einfachen Deckel" der Geldleistung lehne er aber wegen der damit verbundenen Armutsgefahr für Familien ab.
Punkt fünf schließlich geht über die Mindestsicherung hinaus. Landau fordert Anstrengungen dafür, dass die Betroffenen auch ausreichend bezahlte Arbeit finden können. Die Gesellschaft erwarte zu Recht einen Beitrag dieser Menschen, sagte er.
Quelle: kathpress