Lutherbibel für Autorin Lewitscharoff "ein Meisterstück"
Martin Luthers Bibelübersetzung ist für die selbst sprachmächtige Berliner Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff ein bleibendes "Meisterstück". Das Verdienst des Reformators bestehe u.a. darin, aus den verschiedenen deutschen Sprachregionen Wörter aufgesammelt "und damit einen frühen Zusammenhang in Richtung allgemeinverständlicher deutscher Sprache gestiftet" zu haben. Die Luther'sche Übersetzung sei "würzig, zupackend, und sie funktioniert großartig", lobte Lewitscharoff in einem Gespräch mit dem Wiener Dogmatikprofessor Jan-Heiner Tück, das auf der theologischen Feuilleton-Internetseite www.feinschwarz.net nachzulesen ist.
Anlass für den Brückenschlag zwischen Literatur und Theologie ist die interdisziplinäre Tagung "Martin Luther im Widerstreit der Konfessionen", die die Katholisch-Theologische Fakultät vom 5. bis 7. Oktober an der Universität Wien veranstaltet. Die Bachmann- und Büchner-Preisträgerin Sibylle Lewitscharoff hält am Mittwochabend um 19 Uhr im Großen Festsaal einen Festvortrag zum Thema "Sprachereignis Luther".
Auch für die Lutherbibel, die zum Jubiläumsjahr 2017 von der Deutschen Bibelgesellschaft in den nächsten Tagen erscheint, fand Lewitscharoff wertschätzende Worte. "Beim ersten Überfliegen" wirke die Aktualisierung der Luthervorlage "sehr anständig", auch wenn ein differenzierterer Eindruck noch nicht möglich gewesen sei. Offenbar seien aber "idiotische Modernismen" vermieden worden, zugleich allgemeine Verständlichkeit gewährleistet, sagte Lewitscharoff. "Der Wortgebrauch ist aber nicht auf Teufelkommraus für die allerschlichtesten Gemüter, die ihre elektronischen Briefchen gern mit 'Hallo' überschreiben, niedergehalten", merkte die Erfolgsautorin ironisch an und formulierte als Anspruch: "Der alte Luther muss durch den zeitgenössisch aufgetragenen Lack durchschimmern."
Glaube kontra "Logik des Komparativs"
Tück sprach Lewitscharoff auf die Aktualität der "Zentralbotschaft" Luthers - die Rechtfertigung des sündigen Menschen allein durch den Glauben - an, in einer Zeit, "die oft von gnadenlosen Leistungsimperativen bestimmt" und von enormem Konkurrenzdruck gekennzeichnet sei. Die Schriftstellerin dazu: "Die von Ihnen angesprochene Logik des Komparativs ist entsetzlich, menschenverachtend. Sie erzeugt ungeheures Leid, wiewohl man sich selbst dem permanenten Konkurrenzwahn nur schwer entziehen kann." Der Glaube kann laut Lewitscharoff "die Verstörungen und die Aggressionen, die damit einhergehen, aber sehr wohl mildern und gottlob - damit auch trösten".
Zur weitgehenden Entchristlichung der spätmodernen Gesellschaft mit den Konfessionslosen als einzig wachsende "Konfession" sagte Lewitscharoff: "Ich wünsche mir für alle christlichen Konfessionen, dass sie gut durchhalten mögen. In mageren Zeiten muss man klüglich die Substanz hüten und pflegen. Wer weiß, vielleicht kommen wieder andere Zeiten." Kopflose Anbiederung an das Zeitgenössische führe nur zu noch mehr Abwendung, warnte die Autorin. "Die deutschen Protestanten sind diesbezüglich auf verheerendem Untergangskurs, bisweilen ähneln ihre Predigten fatal den mickrigen Werbebroschüren von Versandhändlern. So geht's sicher nicht."
Die 1954 geborene Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff wurde vielfach ausgezeichnet, zuletzt erschienen im Suhrkamp Verlag ihre Romane "Blumenberg" (2011), "Killmousky" (2014) und "Das Pfingstwunder" (2016).
Quelle: kathpress