"Wir haben keinen Notstand"
"Wer sich umsieht, weiß, wir haben keinen Notstand": Das hat Caritas-Präsident Michael Landau am Sonntag in der "Presse" mit Blick auf Sicherheit und Ordnung in Österreich angesichts der Flüchtlingsströme in einem Doppel-Interview mit Innenminister Wolfgang Sobotka betont. Trotzdem werde in "verschiedenen Ländern an Notstandsverordnungen oder Vergleichbarem" gearbeitet, kritisierte Landau. Er vermisse die gleiche Energie bei der Arbeit an einer europäischen Solidaritätsverordnung. "Wir werden letztlich keine italienische, deutsche oder österreichische, sondern nur eine europäische Lösung finden können."
"Viel gewonnen" wäre bereits, so Landau, wenn außer Streit gestellt sei, "dass Flucht kein Verbrechen und Asyl ein Menschenrecht" sei. Die Grenzen Europas dürften keine "Grenzen des Todes sein" und es werde sichere Zugänge brauchen. Nur so könne Schleppern das Handwerk gelegt werden. Lösungen müssten sich an den Geboten der Humanität orientieren, "weil es zuallererst um Menschen geht, die Dramatisches hinter sich gebracht haben und die ein Recht darauf haben, dass sie auch wie Menschen behandelt werden". Landau räumte allerdings ein: "Nicht jeder, der Asyl beantragt, wird Asyl erhalten können."
Einmal mehr plädierte der Caritas-Präsident auch für eine "doppelte Integration, eine Integration der Menschen, die jetzt zu uns kommen, aber auch eine Integration der Menschen, die Sorgen haben, die das Gefühl haben, jetzt wird auf ihre Not vergessen". Hier gebe es kein "Entweder-oder, sondern nur ein Sowohl-als-auch", so Landau. Von Integrations-Unwilligkeit seitens Flüchtlingen spüre er in seiner täglichen Arbeit wenig. "Die sagen selbst, wir müssen die Kultur lernen, die Sprache lernen." Gleichzeitig nehme er wahr, "wie viele Österreicher in dieser Situation bereit sein, da zu sein. Das ist das Potenzial an Anständigkeit, das im Grunde in jedem von uns steckt".
Von einem "Notstand" will auch Innenminister Sobotka nicht reden. Deswegen gebe es im Asylgesetz auch keine Notstandsverordnung, sondern einer Sonderverordnung, so der Innenminister im "Presse"-Interview. Es habe auch im Vorjahr keinen Notstand gegeben, so Sobotka, sondern eine "Krise der Rechtsstaatlichkeit, eine Krise der Organisationsfähigkeit".
Er wolle auch nicht das Asylrecht außer Kraft setzen, "sondern, wenn es eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und die innere Sicherheit gibt, bekommen nur noch jene ein Asylverfahren, bei denen wir verfassungsrechtlich dazu verpflichtet sind. Alle anderen werden in jenen Nachbarstaat zurückgewiesen, aus dem sie versucht haben einzureisen."
Das Asylrecht sei zu einer Zeit entstanden, als es noch ganz andere Bedingungen gab. Er halte es daher für notwendig, sich über die Strukturen des Asylrechts in unserer Zeit zu unterhalten. "Es ist nicht nachvollziehbar, dass eine tschetschenische Familie, die um Asyl ersucht, nach zwei Monaten zurückfährt, um die Großmutter nachzuholen. Sobald ich in der Lage bin, in mein Heimatland zurückzufahren, kann kein Asylgrund gegeben sein."
Deshalb brauche es auch Grenzen, so Sobotka. "Und solange die Europäische Union nicht in der Lage ist, die Außengrenze wirksam zu schützen, so lang brauchen wir diese Hilfsmaßnahme." Die Zivilgesellschaft habe Werthaltungen durchgehalten. Wichtig sei aber auch, "dass wir nicht zu einer Spaltung der Gesellschaft beitragen. Ich möchte keine Situation wie in Deutschland, wo Asylheime brennen, ich möchte nicht eine Situation wie in Frankreich, wo ganze Stadtteile nicht mehr begehbar sind, ich möchte keine Ghettoisierung, und vor allem möchte ich kein aggressives Aufeinanderlosgehen der unterschiedlichen Standpunkte".
Quelle: kathpress