Flüchtlingen zuhören ist bereits Hilfe
Wer die Chance dazu bekommt, in direkten Kontakt mit Flüchtlingen zu treten, sollte diese unbedingt nutzen: Dazu hat der Leiter des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes (JRS) für Syrien, Pater Tony Calleja, am Freitagabend in Klagenfurt bei der gemeinsamen Tagung der Katholischen Aktion, des deutschen Katholikenkomitees und des Hilfswerks Renovabis aufgerufen. "Wenn ich einem Flüchtling zuhöre, helfe ich ihm vielleicht nicht viel. Doch ich übe Gerechtigkeit gegenüber einem Menschen aus, der verzweifelt, erniedrigt und traumatisiert ist und alles annehmen muss, was auf ihn zukommt", so der Ordensmann bei seinem Impulsvortrag.
Flüchtlinge seien keine Nummern, sondern Menschen mit einer je eigenen Geschichte, rief Calleja in Erinnerung. Viele hätten den Verlust der Familie, extreme Ängste, Hunger und Kälte erlebt sowie ständige Unsicherheit. Die Situation ähnle einem Aufenthalt auf einem Flughafen ohne Reisepass - "man kann nicht vor und nicht zurück und weiß nicht, wie es weitergeht". Nehme sich jemand eine halbe Stunde Zeit für die Geschichte eines Flüchtlings, so sei dies vielleicht das erste Mal, gab der Ordensmann zu bedenken. "Manchmal können wir nicht mehr tun. Aber was wir tun können, müssen wir tun. Wir tun, was möglich ist, und ein wenig mehr."
Große Sorgen äußerte der Jesuit über den psychischen Zustand der Flüchtlinge in den großen Flüchtlingslagern in Libanon und Jordanien. "Viele bräuchten Psychiater oder Psychologen; viele konsumieren Amphetamine und Marihuana, um ihre Probleme zu vergessen." Insgesamt gebe es einen "großen Hoffnungsverlust", und die Jugendlichen in den Lagern seien eine "verlorene Generation". Der Gedanke an ein Zurück gebe es für viele der geflohenen Syrer nicht mehr, betonte der Flüchtlingshelfer. Nach vier Jahren Krieg schwinde auch die Solidarität mit den Binnenvertriebenen im eigenen Land.
Syrien: Hoffnung auf politische Lösung schwindet
Zur aktuellen Situation in Syrien bemerkte Callejas, die meisten hätten die Hoffnung auf eine politische Lösung offenbar aufgegeben, allen voran die Politiker. Als Alternative suche man eine militärische Lösung, weshalb nun Aleppo die Eskalation des Krieges erlebe. Der wechselnde Verlauf gehe vor allem auf das Mitmischen der ausländischen Mächte zurück. "Es sind viele Akteure im Spiel, doch sie haben kein UNO-Mandat oder sonstiges Recht dafür. Was sie machen, ist illegal, aber es scheint niemanden zu kümmern." So werde Syrien nun derzeit "auseinandergerissen"; die Lage scheine festgefahren.
Einen dringenden Appell richtete der vom Libanon aus operierende Jesuit an Europa: Es sei Pflicht des Kontinents, auf die Not zu reagieren und Flüchtlinge aufzunehmen. Ressourcen dafür gäbe es. "Erzählen Sie mir nicht, dass Österreich - das stark, gesund und tief verwurzelt in christliche Werte ist - nicht 100.000 integrieren kann." Während der Libanon, trotz vier Millionen Einwohnern auf einer halb so großen Fläche wie die Slowakei und trotz Bürgerkriegs-Geschichte, mit einer Million Flüchtlingen zurechtkomme, dominiere in Europa eine Angst, die an die Furcht des Mittelalters vor dem Fremden erinnere. Calleja: "Wovor die Angst? Vor den vielleicht 50 Terroristen? Die würden auch ohne Flüchtlinge kommen." Offenbar ängstigten sich viele, ihren Wohlstand zu verlieren. "Doch wir sind nicht allein in unserem Leben", so der Ordensmann.
So menschlich Angst auch sei, "wir müssen konsequent mit unserem Glauben und unserer Hoffnung sein. Wir müssen Begegnungen schaffen und den Menschen dabei helfen, ihre Angst zu verlieren, die sie gegen ihren Glauben handeln lässt", appellierte Calleja. Das bedeute für Europa, den Flüchtlingen freundlich zu begegnen und eine kollektive Anstrengung zu leisten. Aufgabe der Bischöfe sei es, über Barmherzigkeit und Mitleid zu sprechen, "doch dein eigenes Wort zu Kollegen am Arbeitsplatz kann mehr Gewicht haben als das des Bischofs", so der Jesuit in Richtung der Tagungsteilnehmer.
Quelle: kathpress