Asylwerberinnen oft benachteiligt
Maßnahmen zur Gewährleistung von "Geschlechtergerechtigkeit" in der Durchführung von Asylverfahren hat die Katholische Frauenbewegung Österreichs (kfbö) anlässlich des "Internationalen Tags der Flucht" am 30. September gefordert. "Frauen sind in der Verfahrenspraxis häufig benachteiligt, weil es an Sensibilität für ihren jeweiligen kulturellen und sozialen Kontext mangelt", beklagte kfbö-Vorsitzende Veronika Pernsteiner in einer Aussendung am Donnerstag. Es fehle spezifisch geschultes Personal im Rahmen der Asylverfahren, dezidierte Sonderbeauftragte für geschlechtsspezifisch Verfolgte wie etwa in Deutschland existierten in Österreich nicht. Pernsteiner: "Es ist dafür Sorge zu tragen, dass Frauen in Asylverfahren ihre Rechte bestmöglich geltend machen können."
Die Vorsitzende der größten österreichischen Frauenorganisation verwies auf Erfahrungen in der Verfahrenspraxis: "Frauen, die in ihren Herkunftsländern nicht oder kaum zur Schule gegangen sind, die in patriarchalen Verhältnissen sozialisiert sind, haben oft nicht gelernt, für sich zu sprechen. Schon gar nicht, wenn es darum geht, über erlittene sexuelle Gewalt zu berichten." In Fällen, in denen Verdacht auf geschlechtsspezifische Verfolgung besteht, gibt es laut Pernsteiner zwar die Möglichkeit, speziell geschulte Bedienstete beizuziehen. Doch sei viel Sensibilität erforderlich, um überhaupt zu eindeutigen Aussagen zu gelangen. Teilweise fehle es bei Frauen in Asylverfahren auch an Bewusstsein für erfahrenes Unrecht - etwa, was Genitalverstümmelung oder Zwangsheirat, aber auch Gewalt generell betreffe.
Benachteiligende Praxis beenden
Frauenspezifische Fluchtgründe sind im österreichischen Asylgesetz nicht einzeln aufgeführt, sondern entsprechend der Genfer Flüchtlingskonvention dem Verfolgungsgrund "Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe" zugeordnet, erinnerte Pernsteiner. Deshalb mangle es nach Erfahrung von Asylfachleuten oft an der nötigen Ernsthaftigkeit, große Unterschiede in der Entscheidungspraxis seien die Folge. Auch das Hintergrundwissen über die Herkunftsländer der weiblichen Flüchtlinge sei oft nicht ausreichend. "Nur zu einem Bruchteil befassen sich die derzeit im Bundesministerium für Inneres bestehenden Staaten-Dokumentationen ausdrücklich mit der Situation von Frauen", weiß die kfbö-Vorsitzende.
"Die Katholische Frauenbewegung fordert, diese benachteiligende Praxis zu beenden", so Pernsteiner. Sie verlangt vom Innenministerium überdies statistische Aufzeichnungen über Fluchtgründe bzw. darüber, ob Frauen alleine gereist sind oder mit Partnern oder Kindern unterwegs waren.
Asylgesetz-Novelle brachte Nachteile
Im Blick auf die Asylgesetz-Novelle kritisierte Pernsteiner insbesondere die Veränderungen, die für subsidiär Schutzberechtigte gelten und unter anderem die Familienzusammenführung erschweren: "Das betrifft vor allem Frauen, die vorausgegangenen Männern folgen wollen und jetzt erst nach drei Jahren nachkommen können, unter der Bedingung, dass der Mann eigenständig für ausreichend Wohnfläche und Einkommen sorgen kann."
Die längere Wartezeit sowie die verschärften Bedingungen für eine Zusammenführung setzen Frauen in den Herkunftsländern ökonomischem und psychischem Druck sowie erhöhter Gefahr aus, Opfer von Gewalt zu werden, warnte Pernsteiner. Sie plädierte nicht nur für die Rücknahme dieser Bestimmung, sondern generell für ein "menschenwürdiges" Asylgesetz: "Gerade die laut Notstandsverordnung erlaubten Abschiebungen bedeuten für Frauen eine erneute Gefährdung durch die Verlängerung ihrer ungeschützten Situation."
"Tag der Flucht" mit reichem Programm
Die Katholische Frauenbewegung ist eine von vielen Organisationen, die sich im Rahmen des vom UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR ausgerufenen "Internationalen Tags der Flucht" engagieren. 2015 wurden zum ersten Mal Events rund um die Themen Flucht und Asyl in allen neun Bundesländern angeboten. Heuer stehen rund 100 kostenlos zugängliche Veranstaltungen mit dem Akzent auf Kunst, Kultur und Sport sowie Workshops, Diskussionen etc. auf dem Programm.
Einige Highlights mit religiösem Bezug: Unter dem Titel "Feel like a refugee" (Fühle dich wie ein Flüchtling) lädt das Don-Bosco-Flüchtlingswerk am Freitag (11 bis 15 Uhr, Salesianum Wien, Hagenmüllergasse 31) zu einem Hindernisparcours in Wien, der Interessierten näherbringen soll, welchen Situationen minderjährige Flüchtlinge in Österreich ausgesetzt sind, denen einheimische Jugendliche niemals ausgesetzt würden: etwa die Worte des Arztes nicht zu verstehen, der Unwahrheit bezichtigt zu werden oder sich mit fünf Euro am Tag ernähren zu müssen.
In Steyr (Oberösterreich) präsentieren die Künstler Stefan Radinger und Michael Liebert die Ausstellung "ALL HUMAN" in Kooperation mit dem Caritas-Integrationszentrum Paraplü ("ARTelier 34", Sierningerstraße 34). Im Mittelpunkt stehen dabei Heimatvertriebene mit ihrer Persönlichkeit, ihren Interessen, Fähigkeiten, Wünschen und Sorgen. Die Porträts in Form von Fotos, Texten und Video erzählen nicht die Geschichten der Flucht, sondern des Lebens hier in Österreich, heißt es in der Ankündigung.
In Rothleiten (Steiermark) laden die jugendlichen Bewohner des dortigen Caritas-Flüchtlingsquartiers zu einem "Bolani-Kochworkshop" und einer Musikvideopräsentation ein. Auch in Lustenau (Vorarlberg) sind Jugendliche im Blickfeld: Die Offene Jugendarbeit Lustenau und Dornbirn sowie die Naturfreunde-Jugend Vorarlberg laden am Freitag zu einer interkulturellen Friedhofstour im Rahmen des Projektes "MUT" (Menschenwürde und Toleranz).
(Weitere Programmpunkte: www.langertagderflucht.at)
Quelle: kathpress