Landau kritisiert "Kleingeisterei"
Vor dramatischen Folgen von "europäischer Kleingeisterei" hat Caritas-Präsident Michael Landau angesichts der Ergebnisse des Wiener Flüchtlingsgipfels gewarnt. "Europas Beitrag für den Frieden ist zu gering und das Ausmaß der Hilfe nicht zuletzt vor Ort insgesamt eindeutig zu niedrig", betonte Landau am Sonntag gegenüber "Kathpress". So wichtig es auch sei, im Gespräch zu bleiben, habe der Gipfel vor Hintergrund der aktuellen Situation "vor allem in die Niederungen europäischer Kleingeisterei" geführt, urteilte er.
Derzeit seien allein im syrischen Aleppo zwei Millionen Menschen von der Wasserversorgung ausgeschlossen und zuletzt erneut über als 160 Menschen im Mittelmeer ertrunken, erinnerte der Caritas-Präsident. Bisherige Maßnahmen aus Europa hätten dies nicht verhindert, sondern bloß die Fluchtrouten verändert. Auch beim Wiener Gipfel am Samstag habe nur darin Einigkeit geherrscht, dass der Einlass nach Europa für schutzsuchende Menschen noch schwieriger werden solle. Landau: "Das macht deutlich: Wir haben in Europa keine Flüchtlingskrise, sondern eine Solidaritätskrise."
Dem Caritas-Präsident zufolge fehle es an Solidarität um die "gemeinsame Aufgabe, Schutzsuchende aufzunehmen und auf die europäischen Staaten in guter Weise aufzuteilen, gemeinsam und im europäischen Staatenverbund zu lösen". Doch auch die Tatsache, dass der europäische Beitrag für die Hilfe vor Ort in den aktuellen Krisenregionen insgesamt noch immer beschämend gering sei, deute auf die "Solidaritätskrise".
"Solidaritätsverantwortung" nötig
Statt Notverordnungen in einzelnen EU-Mitgliedsstaaten sei endlich eine europäische Solidaritätsverantwortung notwendig, befand Landau. Dafür brauche es mehr als nur einen Gipfel. "Ich wünsche mir dasselbe Tempo, mit dem noch vor kurzem Banken gerettet wurden, wenn es darum geht, Männer, Frauen und Kinder vor Krieg und Terror zu retten. Dazu gehören nicht zuletzt sichere Zugänge zum Asyl, so wie rasche, faire und qualitätsvolle Verfahren mit europäischen Standards."
Verständlich sei, dass man bei dieser Hilfe "von einem ungeordneten zu einem geordneten Vorgehen an den Grenzen" kommen wolle. Als völlig unverständlich bezeichnete es der Caritas-Präsident jedoch, dass sich die europäische Debatte derzeit einzig um die Grenzsicherung drehe. Landau: "Wir benötigen dieselbe Energie, um einen europäischen Beitrag für den Frieden zu leisten!"
Balkan-Schließung beabsichtigt
Am Samstag hatten die Anrainerstaaten der sogenannten "Westbalkanroute" in Wien getagt, gemeinsam mit den Regierungschefs von Deutschland und Griechenland. Die Staaten beschlossen, den Flüchtlingsweg über den Balkan komplett zu schließen, u.a. durch den Einsatz von zusätzlichen Frontex-Einheiten und durch zusätzliche Experten der EU-Asylbehörde EASO für Griechenland, um Asylverfahren zu "beschleunigen".
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sicherte beim Gipfel Griechenland und Italien weitere Hilfe durch Aufnahme von monatlich mehrerer hundert Migranten mit Bleiberecht zu, während Ungarns Premier Viktor Orban erneuert den Ausschluss Griechenlands aus dem Schengenraum forderte und die Errichtung einer "gigantischen Flüchtlingsstadt" in Libyen vorschlug. Sowohl Merkel wie auch der österreichische Bundeskanzler Christian Kern räumten ein, dass es bei der eigentlich beschlossenen Verteilung von anerkannten Flüchtlingen innerhalb der EU derzeit keine Fortschritte gebe.
Derzeit brechen auf der Balkanroute wenige hundert Menschen pro Tag auf, während es vor dem umstrittenen ersten derartigen Gipfel im Februar, nach dem viele Länder Stacheldrahtzäune aufzogen und ein Pakt mit der Türkei zustandekam, noch bis zu 14.000 gewesen waren. Erwartet wird, dass sich nach dem aktuellen Entscheid die Situation der Migranten, die an der Grenze Serbiens zu Ungarn festhängen, ebenso verschärfen wird wie der Zustrom zu Flüchtlingsrouten über das Mittelmeer.
Quelle: kathpress