"Es kann und darf keinen Schlussstrich geben"
Seit 2010 ist die ehemalige steirische Landeschefin Waltraud Klasnic auf Ersuchen der Österreichischen Bischofskonferenz als Unabhängige Opferschutzanwältin tätig. Als solche begleitet sie die Aufarbeitung der Fälle von Gewalt und sexuellem Missbrauch in der Kirche. Eine Tätigkeit, die noch lange nicht abgeschlossen ist, denn der Weg der Versöhnung sei ein langer, wie Klasnic in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "miteinander" betonte.
"Es kann und darf keinen Schlussstrich geben", machte Klasnic klar, dass sie auch nach sechs Jahren ihre Aufgabe noch nicht erfüllt sieht. Auf ihrer Prioritätenliste stehen nach wie vor "die Aufarbeitung leidvollster Vergangenheit, die aktuelle Hilfe für Betroffene und die Bewusstseinsbildung und Prävention". Finanzielle Entschädigung für die Opfer könne "immer nur eine Geste" sein, "weil das Leid nie materiell abgegolten werden kann".
Das Geld stehe auch "immer erst ganz am Schluss der Wünsche" der Betroffenen. In erster Linie gehe es um die Anerkennung als Opfer und darum, das Schweigen brechen zu können. Für viele sei die jeweilige diözesane Ombudsstelle die erste Stelle, "die einem wirklich zuhört und bereit ist, das Gehörte ernst zu nehmen und im Rahmen des Möglichen zu helfen". Routine sei auch nach sechs Jahren noch nicht eingekehrt - "das kann es bei diesem aufwühlenden Thema nie geben". Jedes einzelne Gespräch sei immer anders, "weil es um den jeweiligen Menschen und seine Würde geht".
Die Zusammenarbeit mit der Kirche bewertet Klasnic positiv. Kritik an mangelnder Unabhängigkeit der Kommission sieht sie als nicht gerechtfertigt: Bisher habe es "keinen einzigen Fall" gegeben, "bei dem Vertreter der Kirche versucht haben, auf unsere Entscheidungen Einfluss zu nehmen". Vielmehr seien alle Beschlüsse der Kommission 1:1 von der gemeinsam von Bischofskonferenz und männlichen und weiblichen Ordenskonferenzen geschaffenen "Stiftung Opferschutz" umgesetzt worden. (Interview mit Waltraud Klasnic im Wortlaut unter www.miteinander.at)
Bisher hat sich die "Unabhängige Opferschutzkommission" mit mehr als 1.500 Fällen befasst. Es wurden ein opferorientiertes "Entschädigungsmodell" entwickelt, das keine Verjährungsfristen kennt. Angeboten wird u.a. ein Clearingverfahren mit erfahrenen Traumapsychologen, therapeutische Hilfestellungen meist in Form von Therapieeinheiten bei Psychologen und finanzielle Hilfestellungen. Diese sind in Kategorien zwischen 5.000 und 25.000 Euro sowie darüber hinausgehenden Zahlungen eingestuft. Insgesamt konnten bis zum Ende des ersten Halbjahres 2016 rund 1.500 positive Entscheidungen mit über 18 Millionen Euro zuerkannter Finanzhilfe und therapeutischer Hilfe im Gegenwert von mehr als 4,5 Millionen Euro getroffen werden.
Die Österreichische Bischofskonferenz hat darüber hinaus zuletzt die für alle Diözesen und Ordensgemeinschaften geltende Rahmenordnung ("Die Wahrheit wird euch frei machen. Maßnahmen, Regelungen und Orientierungshilfen gegen Missbrauch und Gewalt") aktualisiert und veröffentlicht. Die neue Rahmenordnung ist online unter www.ombudsstellen.at abrufbar.
Quelle: kathpress