Bettelverbote verdrängen Armut statt sie zu verhindern
Einen "Appell der Vernunft" hat die Caritas angesichts des jüngsten niederösterreichischen Landtagsentscheids zu Bettelverboten an die Politik gerichtet. Nicht armutsbetroffene Menschen gelte es zu bekämfen, sondern die Armut, betonte der Generalsekretär der Caritas der Erzdiözese Wien, Klaus Schwertner, am Sonntag gegenüber "Kathpress". Durch Verbote, die in mehreren Bundesländern bereits bestehen und in Niederösterreich verschärft worden seien, würden Menschen in verzweifelter Notsituation kriminalisiert. "Armut wird dabei bloß verdrängt statt verhindert", so Schwertner. In den Caritas-Einrichtungen wie etwa der Sozialberatung zeige sich, dass die Situation der betroffenen Menschen schon jetzt "sehr schwierig" sei.
Die am Freitag beschlossene Novelle des niederösterreichischen Polizeistrafgesetzes, die auf einen Antrag des Wiener Neustädter Bürgermeisters Klaus Schneeberger (VP) und von Landesrat Tillmann Fuchs (parteilos) zurückgeht, erlaubt Gemeinden nunmehr, auf von ihnen selbst bestimmte Zonen beschränkte Bettelverbote zu erlassen, in der jede Form des Bettelns - also auch seine "stille" Form - verboten ist. Dabei gab es ein Bettelverbot schon bisher in Niederösterreich: Für das aufdringliche und aggressive Betteln, wobei hier die Caritas laut Schwertner für diese Regelung durchaus "Verständnis" gehabt habe; auch das "gewerbsmäßige" Betteln - hier sprach der Generalsekretär allerdings von einer "Suggerierung" - sowie jenes mit Kindern war untersagt.
Als "sehr kritisch" beurteilte Schwertner die nunmehrigen Strafbestimmungen. Gemeindeorgane können demnach bei Zuwiderhandeln sogar selbst gegen Bettler einschreiten, wobei eine Geldstrafe von bis zu 1.000 Euro, bei Uneinbringlichkeit eine Ersatz-Haftstrafe von bis zu zwei Wochen angedroht werden kann. Per Abänderungsantrag zum ursprünglichen Entwurf ist allerdings als gelinderes Mittel auch die schon bisher bei den Bettelverboten übliche bloße Wegweisung möglich. Schwertner: "Die Strafgelder sollen den Gemeinden zufließen. Will man also mit armutsbetroffenen Menschen, die auf Betteln angewiesen sind, knappe Gemeindekassen aufbessern?"
Niederösterreich solle seinen bisherigen Weg, bei dem es als soziale Modellregion bekannt war, fortsetzen, forderte der Caritas-Generalsekretär, der vom Land eine "Novelle der Novelle, die Menschen in Not in den Mittelpunkt stellt und sie nicht kriminalisiert" wünschte. An die Bürgermeister appellierte er, ihren politischen Spielraum zu nutzen um die juristisch fragliche Neuregelung nicht anzuwenden, solange sie der Verfassungsgerichtshof nicht bestätigt habe. "In der Judikatur steht, dass ein Missstand gegeben sein muss, damit eingeschritten werden darf. Für das neue Gesetz reicht schon, dass ein Missstand bloß befürchtet werden muss", so Schwertner.
Die Reaktion der Gemeinden auf den Landtagsbeschluss fiel durchaus unterschiedlich aus: Der St. Pöltner Bürgermeister Matthias Stadler (SP) erklärte, die Novelle sei "zahnlos" und ein grundlegendes Bettelverbot im Widerspruch zur Menschenrechtskonvention. In der Landeshauptstadt werde es keine sektoralen Verbote geben, da diese nur zu einer Verlagerung der Bettelei an andere Orte führen würden. En Bettelverbot in der ganzen Stadt wäre sinnlos, sei doch organisierte Bettelei kaum nachzuweisen, so sein Argument; Gemeindeorgane seien zudem gar nicht befugt, einen Ausweis zu verlangen.
Quelle: kathpress