Theologie widerspricht nicht universitärer Autonomie
Interdisziplinärer Schulterschluss für Theologie an staatlichen Universitäten: Die universitäre Autonomie bzw. die Freiheit der Forschung stehe einer kirchlich-lehramtlich kontrollierten Theologie nicht notwendigerweise unvereinbar gegenüber, so der Tenor einer Podiumsdiskussion am Mittwochabend im Rahmen der "Hochschulgespräche" des heurigen "Forum Alpbach". So verwies der Rektor der Universität Salzburg, Heinrich Schmidinger, darauf, dass gerade die katholische Kirche in den vergangenen Jahren deutliche Fortschritte bei der Anerkennung der Autonomie der Wissenschaften etwa bei Berufungsverfahren gemacht habe. Schützenhilfe bekam Schmidinger u.a. vom Leiter des Kultusamtes, Oliver Henhapel, der keinen Zweifel an der Relevanz universitärer Theologie aufkommen ließ.
Mit Schmidinger und Henhapel diskutierten in Alpbach der u.a. für die Implementierung des neuen Studienganges Islamische Theologie an der Universität Wien zuständige Vizerektor Heinz Faßmann, der Wiener evangelische Religionspädagoge Martin Rothgangel, die frühere Sprecherin der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ), Carla Amina Baghajati, der Innsbrucker katholische Theologe und Dekan Wolfgang Palaver und die Vizerektorin der Akademie der bildenden Künste, Andrea Braidt.
Schmidinger ortete zwar eine prinzipielle Konfliktlage auf Basis der im Konkordat (Grundlagenvertrag zwischen Heiligem Stuhl und Republik Österreich von 1933) geregelten Rechte der katholischen Kirche, in der Praxis jedoch habe man einen "modus vivendi" gefunden. Zugleich könne er das Anliegen der katholischen Kirche jedoch gut nachvollziehen, eine Kontrolle darüber haben zu wollen, wer an Universitäten in ihrem Name spreche, so Schmidinger. Mit diesem Wunsch stehe die Kirche im übrigen keineswegs alleine da - auch andere Interessengruppen würden versuchen, ihren Einfluss auf die Universitäten geltend zu machen.
"Dennoch glaube ich, dass es einen Weg gibt, der das berechtigte Anliegen der Kirche wahrt und zugleich die Autonomie der Universitäten nicht verletzt": Diesen Weg sieht Schmidinger darin, dass die katholische Kirche sich an prinzipielle universitäre Regeln halten müsse - etwa an die Transparenz und argumentativen Nachvollziehbarkeit ihrer Entscheidungen bei Berufungsverfahren. Ein "Bruch der universitären Autonomie" würde laut Schmidinger nur dann vorliegen, wenn die Kirche etwa ohne Nennung von Gründen, ohne Offenlegung ihrer Argumentation und ohne die Möglichkeit einer Beeinspruchung durch den Betroffenen eine Berufung verweigern oder einen Professor abberufen würde. In dieser Hinsicht habe die Kirche in den vergangenen Jahren "viel gelernt", so der Rektor der Universität Salzburg.
Henhapel: Bewährtes Kooperations-Modell
Ein Plädoyer für das "österreichische Modell einer Kooperation von Staat und Religionsgemeinschaften" auch im Blick auf die Präsenz der Theologie an staatlichen Universitäten hielt der Leiter des Kultusamtes, Oliver Henhapel. Österreich fahre mit diesem kooperativen Modell "sehr gut", so Henhapel, da es im Interesse des Staates liege, "dass Theologen in seinem Kontext", sprich: unter öffentlicher Kontrolle, ausgebildet werden. Dies sei nicht zuletzt auch der Grund für die Einrichtung eines eigenen Studiengangs Islamische Theologie: Nur so könne man langfristig dem Problem gleichsam importierter Imame und Prediger aus ganz anderen kulturellen Kontexten begegnen.
Weiters unterstrich Henhapel die Sonderstellung der katholischen Kirche, die es auch staatlich anzuerkennen gelte: So sei die katholische Kirche als Völkerrechtssubjekt ein Verhandlungspartner des Staates auf Augenhöhe; auch gebe es keine andere religiöse Instanz dieser Größe, die über eine ähnlich hoch ausdifferenzierte Ausbildungsordnung verfüge wie die katholische Kirche. Es gebe daher ein berechtigtes Interesse der Kirche, auf die Einhaltung dieser Ausbildungsordnung zu achten. Im Übrigen widerspreche die universitäre Autonomie der Präsenz der Theologie an staatlichen Universitäten nicht, vielmehr mache die Autonomie erst eine solche Präsenz möglich, stellte Henhapel klar.
Problem der Berufungskommissionen
Einblicke in die Praxis etwa der Berufungen an katholisch-theologischen Fakultäten gab der Innsbrucker Theologe Wolfgang Palaver. Er stimme den Forderungen Schmidingers nach höherer Transparenz und Begründungen bei "nihil obstat"-Verweigerungen zu, dennoch werde das Problem einer kirchlichen Einflussnahme seines Erachtens überbewertet. In der Praxis stellten seiner Erfahrung nach die inneruniversitären Berufungskommissionen ein viel größeres Problem dar, so der seit 2002 an der Universität Innsbruck als Professor für Christliche Gesellschaftslehre lehrende Palaver. "Es ist nicht immer gesagt, dass wirklich der beste Kandidat dabei zum Zug kommt" - da spielten etwa persönliche Eitelkeiten oftmals eine große Rolle.
Im Blick auf die Relevanz der Theologie an staatlichen Universitäten unterstrich Palaver, dass eine dem unmittelbaren kirchlichen Zugriff entzogene theologische Wissenschaft und Ausbildung einen wertvollen Dienst auch zur inneren Zivilisierung der Religion darstelle. Tatsächlich komme es nicht selten vor, dass Bischöfe bewusst Studierende in eigene Seminare oder kirchliche Hochschulen abziehen wollen. Dies sei auch kirchlich betrachtet ein Problem, wenn der eigene Nachwuchs etwa in der Pastoral nicht mehr über eine unabhängige universitäre Ausbildung verfüge.
Kein Problem für die universitäre Autonomie ortete auch der Wiener evangelische Theologe Martin Rothgangel. Es sei wohl übertrieben, angesichts nur einer Berufungsverweigerung in 15 Jahren gegenüber 37 erfolgten Berufungen von einem virulenten Spannungsverhältnis zu sprechen, so Rothgangel. Auf organisatorisch-institutioneller Ebene ist somit die Universitätsautonomie vom Konkordat kaum tangiert. Jedoch bevorzugt er die auf evangelischer Seite vorhandene "Fühlungnahme" gegenüber dem "nihil obstat", da letzteres auf der persönlichen Ebene tragische Konsequenzen haben kann.
Islamische Theologie: Kein Konflikt mit IGGiÖ
Keinen Konflikt mit der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) gebe es bisher bei der Implementierung des Studiums Islamische Theologie an der Universität Wien: das berichtete der Wiener Vizerektor Heinz Faßmann. Man befinde sich derzeit in der Fühlungnahme, d.h. es habe eine Ausschreibung gegeben und den erstgereihten Kandidaten für die Professur der IGGiÖ zur Stellungnahme bekannt gegeben. Das Curriculum für den Studiengang werde derzeit vom Senat der Universität weiter ausgearbeitet. Bei all dem obliege die Letztentscheidung stets der Universität und nicht der IGGiÖ, unterstrich Faßmann. Die von Schmidiniger für die Katholische Theologie geforderten Transparenz-Kriterien würden im Fall des Studiengangs Islamische Theologie eingehalten.
Zufrieden mit der Entwicklung zeigte sich auch die frühere Pressesprecherin und jetzige IGGiÖ-Frauenbeauftragte, Carla Amina Baghajati. Mit dem Studiengang an der Universität Wien erfülle sich "ein lang gehegter Wunsch", so Baghajati: "Wir brauchen islamische Theologie an der Universität - auch aus einem muslimischen Selbstverständnis heraus"; es brauche islamische Theologie, um "neue Antworten auf die Fragen von Muslimen in der Gegenwart" zu finden. Zugleich bekannte sich Baghajati zu den genannten Transparenz-Kriterien - und sie deponierte gleich einen Wunsch für die zukünftige Entwicklung des Studiengangs: "Ich würde mir mehr Frauen wünschen".
Hintergrund des Gesprächs war u.a. eine Parlamentarische Anfrage der früheren Vorsitzenden der Österreichischen Hochschülerinnenschaft (ÖH) und jetzigen Grünen-Nationalratsabgeordneten Sigrid Maurer vom 22. Juni zu Auswirkungen des Konkordats von 1933 auf die universitäre Autonomie. Im Fokus der Anfrage stand vor allem die Frage der Einflussnahme der katholischen Kirche auf Berufungsverfahren für Professoren ("nihil obstat"), auf die Lehrpläne an den Fakultäten (Curricula) sowie die Absetzung von Professoren. In der Beantwortung durch Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) heißt es u.a., dass seit 2002 bei insgesamt 38 Berufungsverfahren einmal die kirchliche Zustimmung zur Berufung eines Professors verweigert wurde, einmal kam es zu einer Abberufung eines Theologieprofessors wegen Scheidung und Wiederheirat.
Quelle: kathpress