Dreikönigsaktion unterstützt Proteste in Rio
Die Eröffnung der Olympischen Spiele in Rio de Janeiro am Freitag ist von Protesten der Bewohner der Stadt begleitet: Zu einer Großdemonstration mitten in der Stadt um 14 Uhr, knapp vor der offiziellen Zeremonie, werden laut Angaben der Dreikönigsaktion (DKA) der Katholischen Jungschar Tausende Menschen erwartet. Die Veranstaltung ist eingebettet in sogenannte "Spiele der Ausgrenzung", welche diese Woche parallel zu Olympia auf Menschenrechtsverletzungen und die Miseren im Gesundheits- und Bildungssystem Brasiliens aufmerksam macht.
Der Protest soll die vielen Schattenseiten rund um die Spiele sichtbar machen und "verhindern, dass solche Menschenrechtsverletzungen bei künftigen Spielen stattfinden können", erklärte die Menschenrechtsaktivistin Julia Bustamante Silva von der DKA-Partnerorganisation PACS. Viel Angst herrsche um die Olympia-Eröffnung, nachdem alle jüngsten Demonstrationen rund um den olympischen Fackellauf teils gewaltsam unterdrückt worden sei. Mit zwei Feiertagen am Donnerstag und Freitag wolle die Stadtregierung "die Leute von der Straße halten", dennoch wollen die Aktivisten vor Ort "friedlich demonstrieren und auf unser Recht auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit pochen".
Zu den am meisten kritisierten Vorgängen rund um die Olympiade zählt die gewaltsame Vertreibung zahlreicher Favela-Bewohner. Maria da Penha zählt zu den Leidtragenden, wurde sie doch im Frühling 2016 nach jahrelangem Kampf als eine der letzten Bewohner des Armenviertels "Vila Autódromo" in Rio aus ihrem Haus vertrieben und stand auf der Straße. Im Juni erzählte sie in Genf dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen ihr Schicksal. Sie und 19 weitere vertriebene Familien der Vila Autodromo erhielten am Montag von der Stadtverwaltung in Rio die Schlüssel für ihr neues Heim, womit ihr Albtraum nun ein Ende habe, auch dank der Unterstützung aus Österreich, heißt es seitens der DKA.
Ziel wurde in Rio nicht erreicht
Es sei wichtig, in Österreich den Protest der von Unrecht Betroffenen an die Öffentlichkeit zu bringen und ihm so internationales Gewicht zu verleihen, legte DKA-Geschäftsführer Jakob Wieser dar. Es gelte "weiterzukämpfen, bis eines Tages kein Mensch mehr unter Sportevents wie Olympischen Spielen oder Fußballweltmeisterschaften leiden wird." Für Rio 2016 habe dieses angestrebte Ziel nicht erreicht werden können, hätten die befürchteten Zwangsumsiedlungen sowie auch die Polizeigewalt und andere Missachtungen der Menschenrechte doch stattgefunden und würden weiterhin stattfinden.
Wie groß die Unterstützung für diese Anliegen in Österreich ausfiel, beweist eindrucksvoll die rekordverdächtige Strecke von 285.000 Protestkilometern, die in den vergangenen Monaten von fast 10.000 Menschen - darunter auch Olympia-Starter wie Sabrina Filzmoser und Ana Roxana Lehaci - im Rahmen der Aktion "Menschenrechte sind olympisch" laufend, radfahrend oder schwimmend gesammelt wurden. Ursprünglich waren von der durchführenden Initiative "Nosso Jogo", an der sich die DKA beteiligt, 10.000 Kilometer angepeilt worden. 2.500 Personen unterschrieben zudem eine Petition an das Internationale Olympische Komitee gegen Menschenrechtsverletzungen bei Olympia.
Kinderrechte besonders gefährdet
Auf die Einhaltung der Kinderrechte macht während der Olympischen Spiele eine Brasilien-weite Kampagne der "Nationalen Front der Bürgermeister Brasiliens" aufmerksam. Bei sämtlichen Sport-Großevents sollen in den kommenden Wochen Olympia-Gäste und die lokale Bevölkerung über Kinderrechte informiert werden, ergänzend dazu bietet eine vom Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen UNICEF entwickelte App die Möglichkeit, Kinder betreffende Missbrauchsfälle blitzschnell zu melden.
Wie wichtig das Anliegen der Kampagne ist, verdeutlicht das österreichische Hilfswerk "Jugend Eine Welt" (J1W) in einer Aussendung vom Freitag: Die Öffentlichkeit oder die Sicherheitskräfte in Rio würden die Kinderrechte speziell von Straßenkindern häufig verletzen. Sichtbar sei dies etwa in den gezielten "Säuberungsaktionen" rund um Olympia gegen Straßenkinder und Obdachlose, wobei Jugendliche häufig in Auffanghäusern untergebracht und wie Kriminelle behandelt werden, auch ohne dass ihnen zuvor eine Straftat nachgewiesen worden wäre. Zu "massiven Gewalterfahrungen" komme es laut J1W in den chronisch überbelegten Jugendgefängnissen, in denen 2015 über 18.000 Jugendliche inhaftiert waren.
Mit scharfer Kritik hatte sich zuletzt J1W-Projektpartner Raymundo Mesquita in die brasilianische Diskussion rund um eine mögliche Herabsetzung der Strafmündigkeit von 18 auf 16 Jahren eingeschaltet. Dies wäre nur eine Symptombekämpfung und Bestrafung für Jugendliche ohne Perspektive, die sich mit Kleinkriminalität übers Wasser halten wollen und im Gefängnis eine "Schule des Verbrechens" zu durchlaufen drohen, so der Salesianerbruder und ehemalige Kinderrechtsbeauftragter der brasilianischen Regierung. Sinnvoller wären Hilfsprogramme und Investitionen ins Bildungssystem.
5.500 Straßenkinder leben laut Angaben von "Jugend Eine Welt" in Rio de Janeiro. Intensives Gegensteuern sei nötig, wolle man in Zeiten von Rezession und Sozialhilfen-Streichung künftig noch mehr Kinder auf der Straße, so der J1W-Vorsitzende Reinhard Heiserer. Zusätzlich zu schon bisher geförderten Projekten des Salesianerordens in Brasilien will J1W künftig auch Ausbau und Renovierung des Don Bosco Jugendzentrums im Elendsviertel Jacarezinho unterstützen. Benachteiligte Kinder erhalten hier qualitätsvolle Schulbildung und reelle Zukunftschance.
Quelle: kathpress