Papst gegen Kirchen-Rückzieher bei Flüchtlingsfrage
Die heutigen Probleme der Menschen lassen einen "Schrei Gottes" spürbar werden, der von der Kirche gehört und beantwortet werden muss: Diesen Auftrag hat Papst Franziskus am Mittwoch der Führungsspitze des weltweiten Dominikanerordens ans Herz gelegt, wie P. Thomas Gabriel Brogl, Dominikaner-Provinzial für Süddeutschland und Österreich, im Gespräch mit Radio Vatikan (Donnerstag) dargelegt hat. Der Papst sei somit genau auf jene "Spiritualität des Hörens" eingegangen, die laut Brogl im Orden derzeit fokussiert werde. "In den Nöten der Menschen kommt uns Gott entgegen, hat Franziskus betont", so der Ordensmann.
Papst Franziskus war am Mittwoch im Vatikan den Mitgliedern des Generalkapitels der Dominikaner begegnet. Die Leiter aller Ordensprovinzen hatten in den drei Wochen zuvor in Bologna getagt, was zugleich ein Höhepunkt im laufenden Dominikaner-Festjahr 800 Jahre nach der Bestätigung der Ordensregel durch Papst Honorius III. im Jahr 1216 darstellte. Der Abschluss des Jubiläumstreffens war der Empfang beim Papst. Die Generalkapitel finden bei den Dominikanern alle drei Jahre statt, erst beim nächsten im Jahr 2019 wird ein Nachfolger des amtierenden Ordensmeisters Bruno Cadore gewählt.
Ähnlich wie zu Gründungszeiten der Dominikaner sah Brogl die Kirche auch heute in einer gewissen Gefahr, sich "auf ihre so genannten Kernbereiche zurückzuziehen, also ,nur´ den Glauben". Ein Beispiel dafür sei die in Österreich laufende Diskussion, ob die Kirche in der Flüchtlingsfrage "nicht zu naiv war" und sich von diesen Fragen nicht lieber zurückziehen sollte. "Ich glaube, dass der Papst dagegen arbeitet und versucht, die Kirche hinzuweisen auf die Nöte der Menschen, auf den konkreten Menschen, so wie er ist, und dass Kirche sich genau dem stellt", so der Ordensprovinzial.
Auch auf die Strukturreform der Dominikaner sei der Papst eingegangen. Seit Jahren schon finde ein Umbau im Orden statt hin zu "Strukturen, die wirklich helfen können, diesen Schrei Gottes wahrzunehmen und den Durst nach einem befreienden und wahren Wort", so Brogl. Dieser Weg habe bereits bisher zu "sehr viel mehr Zusammenarbeit zwischen den Provinzen" geführt, auch in den deutschsprachigen Provinzen. Die Ordensstruktur müsse so flexibel sein, dass man "sehr schnell auf die Nöte der Zeit reagieren kann".
Fanatismus entgegenwirken
Näher auf die 800-jährige Ordensgeschichte ging P. Brogl in der aktuellen Ausgabe der Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag" ein. Bewusst wolle man sich zum Jubiläum auch der "dunklen Kapiteln" der eigenen Vergangenheit stellen, hier vor allem der Inquisition. Aufgrund der "Schatten" in der eigenen Geschichte hätten die Dominikaner nunmehr "einen besonderen Auftrag, darauf zu schauen, nach der Wahrheit zu suchen, aber auch zu versuchen, alles, was mit Fanatismus zu tun hat, Einhalt zu geben, so gut wir können", so Brogl.
Heute muss sich laut dem Provinzial jeder Dominikaner-Konvent fragen, was in der jeweiligen Stadt gefordert ist. Teils sei der Orden stark in der Universitätsseelsorge tätig, manche Kirchen seien "Gesprächskirchen" mit Angeboten an Seelsorge und Beichte. In Wien unternehme man mit der "Schule der christlichen Spiritualität" den Versuch, das ruhige, stille Kloster für Menschen zur spirituellen Vertiefung zu öffnen - "auch bewusst Leute, die sich von der Kirche abgewandt haben und dennoch spirituell auf der Suche sind".
Dem Dominikanerorden - auch "Orden der Predigerbrüder" genannt - gehören weltweit ca. 5.700 Brüder, 30.000 Schwestern und zahlreiche weitere Frauen und Männer in der dominikanischen Gemeinschaft. Das Konvent in Wien, in dem als nunmehr einziger Niederlassung der Brüder in Österreich rund 15 Dominikanerpatres leben und wirken, bildet gemeinsam mit den Klöstern in Süddeutschland eine gemeinsame Provinz. Auch Kardinal Christoph Schönborn ist Mitglied des Ordens.
Quelle: kathpress