"Ohne Klöster ginge vieles verloren"
Die Freigabe des Tiroler Stifts Fiecht durch die Missionsbenediktiner, die sich in ihr Ursprungskloster am Georgenberg zurückziehen wollen, hat wieder bewusst gemacht, wie sehr sich die Ordensgemeinschaften im Wandel befinden. Die Vorsitzenden der Tiroler Frauen- und Männerorden - Provinzvikarin Sr. Maria Luise Eberharter und Abt Raimund Schreier - erläutern in der "Tiroler Tageszeitung" (Wochenende) diesen strukturellen und inhaltlichen Wandel. Der Tenor: Die Orden suchen nach neuen Aufgaben, indem sie sich zugleich auf ihre Ursprünge zurückbesinnen. Würden die Orden in Tirol verschwinden, ginge dem Land sehr viel verloren.
"Die Gesellschaft hat sich verändert - und mit ihr auch wir", so Provinzvikarin Sr. Maria Luise Eberharter von den Tertiarschwestern in Hall. Viele ihrer Mitschwestern stammten noch aus Großfamilien und wuchsen in sehr religiösem Umfeld auf. "Die Aufgabe der Schwestern in Tirol war es immer, die Not der Menschen zu lindern. Deshalb haben sie sich hier angesiedelt", so die Vorsitzende der Frauenorden in der Diözese. Besonders in Zeiten der Industrialisierung sei die Armut sehr groß gewesen. Und es waren auch die Schwestern, die den Frauen zu Ansehen verholfen hätten, indem sie jedem Mädchen - selbst dem ärmsten - Bildung zukommen ließen. Sr. Maria Luise: "Sie alle haben den Ruf verspürt, im christlichen Sinn zu helfen, aber auch in einer christlichen Gemeinschaft zu leben, sich zu binden."
Das sei heute anders: "Die Menschen wollen sich nicht mehr binden, sie wollen frei sein", so Abt Raimund Schreier von den Prämonstratensern in Wilten. Das Stift Wilten ist neben den Benediktinern und den Zisterziensern eine der größten und ältesten Abteien der Diözese Innsbruck. Die Orden "haben das Land geprägt und wichtige Bereiche abgedeckt, wie Wissenschaft, Bildung, Krankenversorgung, Seelsorge, Kunst und Musik."
Dass Wallfahrten boomen, viele an religiösen Traditionen festhalten, sich eine feierliche Taufe oder Hochzeit in der Kirche wünschen und nun so bestürzt auf die Schließung der Klöster reagieren, sei ein großer Widerspruch zu der immer weiter sinkenden Zahl der Gläubigen, stellte Schreier fest: "Sind die Orden weg, ist das für viele ein Schock." Die Sehnsucht nach Spiritualität und Religiosität sei da - auch bei Menschen, die der Kirche aus verschiedenen Gründen fern sind. "Nur reicht es nicht dazu, dass sie aufstehen und sagen 'Je suis Christ' - 'Ich bin Christ'."
Neue alte Aufgaben
Die gemeinnützigen Leistungen der Klöster, die diese wegen des fehlenden Nachwuchses teils auch nicht mehr wahrnehmen könnten, hätten Sozialsysteme, aber auch ehrenamtlich tätige Menschen übernommen. Die einst so bedeutenden Orden suchten deshalb nach neuen Aufgaben. Doch eigentlich seien es alte, ursprüngliche Aufgaben, auf die sich nun viele zurückbesinnen würden, erläuterten Eberharter und Schreier.
Abt Schreier: "Ein Rückzug, die Konzentration aufs Ursprüngliche oder Wesentliche, kann auch positiv sein. Jeder Orden muss sich fragen: 'Was ist meine Aufgabe, mein spezielles Charisma?' Uns in Wilten ist es wichtig, dass Menschen einen Raum der Kontemplation hier finden - auch durch gute Kirchenmusik." Viele Menschen würden heute nach Orten der Stille suchen, an denen sie Kraft schöpfen können für ihr Leben. Klöster könnten sie ihnen zur Verfügung stellen, mitten in der Stadt. Neue geistliche Zentren könnten entstehen, mit vermehrten Angeboten wie Einkehrtagen oder Exerzitien als Dienst am Menschen von heute.
Manche Schwestern etwa öffnen ihre Pforten für ein "freiwilliges Ordensjahr" - als Rückzugsmöglichkeit für Frauen, die Unterstützung oder einfach Ruhe benötigen. "Viele suchen uns", so Sr. Eberharter. Nonnen würden die Seelsorge in Altersheimen übernehmen. Überlegt werde auch, sich mit anderen Tiroler Frauenorden gemeinsam für Frauen einzusetzen, die Opfer von Menschenhandel, sexueller Gewalt und Ausbeutung wurden.
Auch das regulierte Leben, wie es Nonnen oder Mönche führen - mit Morgen-, Mittags- und Abendgebet -, sei gefragt, viele möchten daran teilnehmen. Es sei erwiesen, dass Ordensleute am längsten leben, "denn Leib und Seele gehörten eben zusammen", zeigten sich die beiden Ordensleute überzeugt. Würden die Klöster verschwinden, gehe vieles verloren - vor allem spirituell, so Abt Schreier: "Aber ob wir viele sind oder wenige - Ordensleute wie Christen -, es hängt nicht alles von uns Menschen ab. Gott wird immer unter uns sein, das hat er uns versprochen."
Quelle: kathpress