Wo es auch um "Verkündigung des Evangeliums an Muslime" geht
Weltjugendtag in Krakau mit dem Papst aus Argentinien, in der Heimat seines polnischen Vorgängers, mit mehr als 600.000 jungen Katholiken aus 187 Ländern, darunter 3.000 Österreichern: Das bedeutet abendliches Geschiebe und Gedränge am Ufer der Weichsel, am Hauptplatz und am Fuß der Wawelfestung, einer Perle des UNESCO-Weltkulturerbes. Angesichts der 100-Meter-Schlangen vor McDonalds und Subway stellt sich unweigerlich Platzangst ein, Gedanken an mögliche Panik oder Schlimmeres kommen auf.
Befreiung davon verschafft der Gang durch eine der ruhigeren Nebengassen. In der Reformacka laden Choräle zum nächtlichen Besuch der jahrhundertealten St. Kasimir-Kirche ein. Hunderte sind in Andacht versunken, die legendären Reliquien der Jesus-Jüngerin Maria Magdalena, die ansonsten im französischen Saint-Maximin-la-Sainte-Baume aufbewahrt sind, werden ausgestellt und ziehen viele an. Eine neue jugendliche Ordensgemeinschaft aus Frankreich, die Missionare der Barmherzigkeit, leitet das stimmungsvolle Nachtgebet.
Aufhorchen lässt die Beschreibung ihrer Aufgaben in der Heimat in einem Folder, "Verkündigung des Evangeliums an Muslime" heißt es da. Geht es da nicht um etwas, das in der Kirche Westeuropas immer größeren Stellenwert bekommen wird? Während des Weltjugendtags war ein Priester in der Bretagne von Islamisten bestialisch ermordet worden. Der zuständige Bischof von Rouen musste geschockt Krakau verlassen, wohin er mit einer großen Gruppe von Jugendlichen gekommen war.
Hier in St. Kasimir ist also einer der Treffpunkte der hart geprüften Franzosen, mit 30.000 Pilgern eine der stärksten Gruppen beim Krakauer Weltjugendtag. Der Papst hat ihnen, und allen anderen, die Richtung vorgegeben: Es soll um die Barmherzigkeit gehen, nicht um Rache, auch im Blick auf den jetzt bei so manchem Katholiken entflammten Zorn und spürbare Empörung.
Hunderte Fernsehteams suchen jetzt Gesprächspartner. Die Reporter fahnden vor allem nach französischen Bischöfen - oder weltkirchlich versierten und polyglotten wie den Wiener Kardinal, der geduldig Interviews für TV-Stationen aus aller Welt gibt. Und immer wieder die gleichen Fragen: Wie reagieren auf Rouen? Was soll an die Adresse der Muslime gesagt werden? War der Papst nicht zu eilig mit seiner Versicherung, dass das Morden zwar ein Krieg, aber dezidiert kein Krieg der Religionen, ist? Ob alle Kritiker dieser Aussage Hardliner sind, bliebt dahingestellt.
Widerspruch zum Papst
Der Erzbischof von Ost-Warschau, Henryk Hoser, gilt jedenfalls als ein solcher. Er spricht von einem Krebsgeschwür in Europa in Form des Islamismus. Seine bösartigen Zellen breiteten sich metastasenartig aus. Die Jungen wüssten das, Gottseidank könnten sie in Krakau feiern, weil das hier zum Glück ja "wie eine Festung ist".
Der Papst bleibt unterdessen bei seinen Appellen gegen Abschottung und Schüren von Gegensätzen. Widersprüche zwischen manchen bischöflichen Wortmeldungen und jenen des Chefs sind nicht zu überhören.
Ganz auf Papstkurs sind hingegen die französischen Bischöfe. Sie wollen zeigen, dass die fröhliche Stimmung der 600.000 jungen Christen beim Weltjugendtag ein Gegenzeichen zu Hass und Terror ist.
Und auch Kardinal Schönborn betont das wieder und wieder in den Interviews.
Polnische Sicherheit
Die polnischen Veranwortlichen setzen unterdessen ganz auf Security. Mehr als 40.000 Mitglieder der Sicherheits- und Rettungskräfte wurden requiriert. 20.000 Polizisten stehen zur Verfügung, darunter 7.500 auf Streife in den Straßen. 9.000 Brandschutzkräfte kontrollieren sensible Industrieanlagen, Bahnhöfe, Bushaltestellen und den Flughafen "Krakau Johannes Paul II.". Dazu kommen zusätzliche 800 Mitglieder des Staatsschutzes und 11.000 Grenzschützer. Erstmals nach Eintritt in den Schengen-Raum im Jahr 2007 wurden die Grenzkontrollen von der Regierung vorübergehend wieder eingeführt. Mobile Kontrollstellen, Lieferwagen mit dem Spitznamen "Schengenbus", sollen dafür sorgen, dass die Grenze kein Loch hat.
Die rote Sicherheitsstufe hat bereits Ergebnisse gebracht, in Form der Verhaftung eines Irakers, der im Besitz von Sprengstoff in sehr geringen Mengen war.
Die österreichischen Teilnehmer äußern zu diesen Maßnahmen, bei denen selbst Bischöfe den Leibesvisitationen unterzogen werden, durchwegs Verständnis. Jugendbischof Stephan Turnovszky spricht von der Notwendigkeit, dass Sicherheitskräfte "mit Festigkeit vorgehen". Aber auch diese dürften nicht das Anliegen der Barmherzigkeit vergessen, etwa indem sie bei sich Ressentiments zuließen.
Nicht nur puncto Sicherheit, auch zur Gastfreundschaft geben die 3.000 Österreicher in Krakau den Organisatoren und Gastgebern ein gutes Zeugnis. Das rührt auch von der großen Gruppenzufriedenheit, weil es im österreichischen Team keine "Grabenkämpfe" wie früher einmal gibt, wie es Kardinal Schönborn formulierte.
Am Samstag verlagerte sich der Schwerpunkt der Szene auf das große Festmessenareal außerhalb von Krakau, am Sonntag und Montag stehen dann die großen Verabschiedungen an. Es wird Tränen geben, denn Freundschaften über Grenzen hinweg sind geschlossen worden; viele binationale Ehen gehen mittlerweile auf Weltjugendtage zurück.
Freude soll Gewalt besiegen
In Krakau sind, anders als vor drei Jahren in Rio, die großen Konflikte - Terror und Krieg in Syrien und der Ukraine - stärker präsent. Kardinal Schönborn spricht in einem seiner Interviews über die Freude der Jugendlichen, die aus einer Begegnung mit einem barmherzigen Gott kommt. Er wünsche sich, dass dieser Funke zu vielen in Gewaltideen verstrickten Jugendlichen überspringt, "weil nur das den echten Frieden bringt, der nämlich aus dem Herzen kommt und der beim Schweigen der Waffen - wenn es der Politik gelingen sollte, den Krieg zu stoppen - immer noch fehlt".
Quelle: kathpress