Terror nicht mit Generalverdacht erwidern
Vor Generalverdacht gegenüber allen Flüchtlingen und Muslimen infolge der Attentate in Frankreich und Deutschland hat Bischof Wilhelm Krautwaschl gewarnt. Verallgemeinerungen und einfache Antworten gäben vermeintlich Sicherheit in komplizierter Situation, würden den stets neuen Fragestellungen aber nicht gerecht, sagte der Grazer Bischof am Rande des Weltjugendtages in Krakau gegenüber der Kronenzeitung (Sonntagsausgabe). "Schwarz-Weiß-Malerei ist für unsere bunte Welt nicht geeignet", so Krautwaschl.
Schuld an den jüngsten Gewaltakten habe nicht der Islam, sondern die Miliz "Islamischer Staat", die junge Dschihadisten für die Verbreitung von Terror in Europa anwerbe. Krautwaschl: "Der IS bedient sich lediglich der Religion. Und nicht alle Anschläge gehen auf das Konto des IS. Es gibt auch Amokläufer, man kann nicht alles in einen Topf schmeißen."
Als Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt bezeichnete der Grazer Bischof die Aussage von Ungarns Regierungschef Viktor Orban, wonach jeder Flüchtling ein potenzieller Terrorist sei. Folge man dieser Linie, dann treffe dies auch auf jeden Ungarn und Österreicher zu, denn "auch bei uns gibt es sexuelle Übergriffe und Kriminalität". Es drohe ein Generalverdacht "wie seinerzeit bei der Missbrauchskrise in der katholischen Kirche. Da wurde auch auf alle Priester geschielt, nicht nur auf jene, die sich schuldig gemacht haben."
Besonders um ein Miteinander in der Gesellschaft bete er momentan, und "dass wir auch angesichts von Terror im Herzen Christen bleiben", so Krautwaschl. In vielen Bereichen würden Menschen nicht mehr zueinander finden, denn "wenn ich lese, was in der virtuellen Welt alles gedacht und geschrieben wird, dann wird mir manchmal übel". Christen hätten der Versuchung von Hass und Rachegefühlen zu widerstehen, zumal ihr Vorbild Jesus Christus sei, der durch seine Kreuzigung "die Spirale der Gewalt durchbrochen" habe.
Gewaltlosigkeit beginne bei jedem Menschen persönlich, betonte der Bischof. "Wir rede ich über den anderen? Wie denke ich über den anderen? Wie schreibe ich über den anderen?" Auch die gemeinsame Glaubensfeier von hunderttausenden Jugendlichen aus vielen Ländern am Weltjugendtag liefere hier ein schönes Beispiel. "Da weht die israelische Fahne neben der palästinensischen, aber ohne dass irgendwelche Differenzen spürbar wären. Das ist eine Wirklichkeit, für die es sich einzusetzen lohnt."
Offenheit im Umgang mit Fremden erfordere auch, sattelfest im eigenen Glauben zu sein, betonte Krautwaschl. Die Sehnsucht nach Schutzzäunen sei offenbar deshalb so groß, "weil wir selber nicht wissen, wer wir sind und was uns ausmacht". Heimatliebe und Patriotismus dürfe andere nicht schlechtmachen und ausschließen.
Quelle: kathpress