Rückendeckung für Kanzler Kern
Bundeskanzler Christian Kern bekommt bei der Katholischen Sozialakademie Österreichs (ksoe) Rückendeckung für einige seiner politischen Anliegen: Die "Denkanstöße" des Regierungs-Chefs in Richtung Wertschöpfungsabgabe und Arbeitszeitverkürzung "sind ... zu begrüßen", verwies der "Think Tank" der Österreichischen Bischofskonferenz für die Katholische Soziallehre auf Phänomene wie Digitalisierung und Robotisierung, hohe Arbeitslosigkeit und unfreiwillige Teilzeitarbeit. Auch im Hinblick auf die Finanzierung der sozialen Sicherung in Österreich sei eine Debatte darüber wünschenswert, wie aus einem Beitrag in der aktuellen Ausgabe der Monatsschrift "ksoe" hervorgeht.
Kerns Überlegungen könnten auch ein Anstoß sein, "über das (zu enge) Verständnis von Arbeit, die notwendige Finanzierung von Care-Arbeit, die Frage gerechter Löhne bzw. eines angemessenen Mindestlohnes bis hin zur Idee eines Bedingungslosen Grundeinkommens nachzudenken".
Anerkennung zollte die Sozialakademie auch dem vom Bundeskanzler vertretenen Ansatz "Bildung bis 18". Der breite Zugang zu Bildungschancen sei eine Schlüsselfrage und auch schon im von der ksoe mitverantworteten Sozialwort der Kirchen in Österreich 2003 unterstrichen worden. Sorge äußerte die Sozialakademie darüber, dass das Menschenrecht auf Asyl "zunehmend in Frage gestellt" werde: "Es scheint uns in diesem Kontext kontraproduktiv zu sein, in der Öffentlichkeit von Notstand oder einer Notsituation in Österreich zu sprechen."
Die Katholische Sozialakademie äußerte sich in einem ausführlichen Artikel unter dem Titel "Österreich - neu regiert", der grundsätzliche sozialethische Anmerkungen zur Politik der neuen Bundesregierung beinhaltet. Der rasche Wechsel an der Spitze der Bundesregierung verbunden mit einigen Ministeramts-Neubesetzungen sei in einer Zeit erfolgt, in der "für die Demokratie bedeutende Werte wie Menschenwürde und Solidarität in Bedrängnis gekommen" seien. "Völkisches Denken" sei plötzlich präsent, rechtspopulistische Angebote fänden breite Zustimmung in der Bevölkerung. Die etablierten politischen Parteien suchten nach Wegen, um "am WählerInnenmarkt wieder attraktiv zu werden".
Keine Heroen, aber Visionäre nötig
Die Medienöffentlichkeit habe Christian Kern bei seinem Amtsantritt als "Heroen" gezeichnet, "der gekommen war, um aufzuräumen und einen völligen Neustart zu wagen". Aus Sicht der ksoe war der Regierungswechsel ein "wichtiges Signal an die Bevölkerung", wie es in dem Artikel heißt: "Demokratie ist ein lebendiger Prozess, der immer wieder Veränderung bringt und in dem sich Menschen konkret engagieren." "Heroen" brauche es dafür nicht, wohl aber "visionäre GestalterInnen des Wandels mit Bodenhaftung und Kontakt zu den Menschen", Persönlichkeiten, die teamfähig und werteorientiert agieren, "PolitikerInnen, denen man es abnimmt, dass sie sich für ein gutes Leben für alle Menschen in ihrem Land einsetzen".
Auf der Agenda der neuformierten Bundesregierung muss nach Überzeugung der ksoe die "wachsende Schere zwischen Arm und Reich" sein. Die materielle Situation der Niedrigverdiener habe sich im letzten Jahrzehnt verschlechtert, Großverdiener dagegen hätten verhältnismäßig profitiert. Eine solche "Umverteilungspolitik nach oben" und hohe soziale Ungleichheit führten unweigerlich zu sozialen Spannungen und zur Schwächung des gesellschaftlichen Zusammenhalts, warnte die Sozialakademie. Und sie machten anfällig für "Rechtsaußen"-Parolen wie: "Es ist genug für EUCH da, aber nicht für alle."
Gegenzusteuern sei mit "ganzheitlicher Bildung", das junge Menschen nicht auf ihre marktkonforme Verwendung hin "zurichtet", sondern ihnen die Möglichkeit gebe, zu mündigen Bürgern heranzuwachsen. Die ksoe schlug der Regierung das Schnüren eines "Bildungskonjunkturpakete" vor.
EU soll Sozialunion werden
Auch europapolitische Anliegen deponiert die Sozialakademie: Die Weiterentwicklung der EU in Richtung einer politischen und sozialen Union werde eine zentrale Aufgabe der nächsten Jahre sein müssen. Damit könne der "Primat der Politik über den Markt" abgesichert und notwendige Maßnahmen wie die international koordinierte Besteuerung von Finanztransaktionen und Spekulationsgeschäften gesetzt werden. Gegen nationalstaatliche Abschottung hält die ksoe fest: "Mauern, Militär, Waffen und ein Krieg der Worte zerstören jene Grundwerte, auf die man in der Europäischen Union seit Jahrzehnten zu Recht stolz war."
Keine menschenrechtlichen Abstriche dürfen aus der Sicht der ksoe beim Thema Flüchtlinge gemacht werden: Österreich, "historisch geprägt von einem Miteinander unterschiedlicher Kulturen, Religionen, Minderheiten und Sprachgruppen", sei durch Flüchtlinge und Migranten "stets bereichert" worden. "Salonfähig gewordene populistische Parolen sowie bewusst gestreute Falschmeldungen" würden demgegenüber viel Unsicherheit und auch Hass schüren. Dem hält die ksoe entgegen: "Österreich ist ein reiches Land." Ein menschenwürdiges Leben aller in Österreich lebender Menschen dürfe daher keine Frage sein.
Quelle: kathpress