Ökumene braucht Balance zwischen Einheit und Vielfalt
Ökumene braucht eine gute Balance zwischen Einheit und Vielfalt: Mit dieser Feststellung antwortete Kardinal Kurt Koch, Präsident des Päpstlichen Einheitsrates, bei einem Österreich-Besuch auf die Frage, ob eine Einheit der Kirchen überhaupt noch zu erreichen ist. Der Schweizer Kurienkardinal zitierte dazu Blaise Pascal, der in seinen "Pensées" formulierte: Einheit, die nicht von Vielheit abhängt, ist Diktatur; umgekehrt sei Vielheit ohne Einheit Anarchie. Die Ökumene brauche beides - Einheit und Vielfalt, so Koch. Gemeinsam sei zu klären: "Wie viel Einheit braucht es, und wie viel Vielfalt ist möglich?"
Der "Ökumene-Minister" des Vatikan äußerte sich am Schlusstag der Ökumenischen Sommerakademie im Stift Kremsmünster, die heuer von 13. bis 15. Juli den "Anstößen der Reformation" gewidmet war, gegenüber österreichischen Journalisten.
Wie eine Einheit unter den Kirchen aussehen muss, werde von den Kirchen sehr unterschiedlich beantwortet, erklärte Koch. Der Dialog mit den Orthodoxen dazu gestalte sich deutlich anders als jener mit den Protestanten, erst recht mit den pentekostalischen Kirchen. Eigenständigkeiten müssten nicht zwangsläufig aufgegeben werden, verwies Koch auf die von Papst Benedikt XVI. für übertrittswillige Anglikaner geöffneten Türen. Ihnen habe der bayerische Papst erklärt: "Ihr könnt euren spirituellen, liturgischen, disziplinären Rucksack mitnehmen, ihr müsst nicht alles ablegen vor der Tür."
Der Kardinal merkte an, dass es auch in der katholischen Kirche eine enorme Vielfalt gebe - etwa zwischen den orientalisch-katholischen und der lateinischen Kirche, die auch ein unterschiedliches Kirchenrecht hätten.
Mehr Kooperation in "weltlichen" Fragen
Jedenfalls möglich ist nach der Überzeugung Kochs ein koordiniertes Vorgehen der Kirchen in politischen Fragen und bei Krisenfällen: Er halte es sogar für "dringend notwendig", großen Herausforderungen wie den Flüchtlingsbewegungen gemeinsam und mit gebündelten ökumenischen Kräften zu begegnen. Als vorbildlich stufte der Präsident des Päpstlichen Einheitsrates die gemeinsame Initiative der katholischen Gemeinschaft Sant' Egidio mit den Waldensern ein, für Flüchtlinge humanitäre Korridore vom Libanon, von Marokko und Äthiopien nach Italien einzurichten. Auch der vor einem Monat in München durchgeführte Kongress des ökumenischen Netzwerkes "Miteinander für Europa" weise in die richtige Richtung.
"Hier könnten wir noch sehr viel mehr gemeinsam tun, ohne irgendwelche Probleme zu haben", meinte Koch. Eine gemeinsame Stimme der Christen sei schon allein aus Glaubwürdigkeitsgründen wünschenswert. Gemessen an diesem Anspruch bedauerlich seien die neuen Differenzen der Kirchen in ethischen Fragen wie dem Lebensschutz. Bisher habe in der ökumenischen Bewegung gegolten "Glaube trennt, Handeln eint", sagte Koch, "heute müssen wir es fast umgekehrt sagen".
"Ökumene der Märtyrer" gibt Hoffnung
Einen wichtigen Anstoß für weitere Annäherungen der Kirchen sieht der Kardinal in der "Ökumene der Märtyrer". Nicht einmal in den ersten Jahrhunderten in der Zeit der Christenverfolgung durch das Römische Weltreich habe es so viele Märtyrer gegeben wie jetzt - und dies seien Blutzeugen aller Kirchen, wie Koch betonte. Papst Johannes Paul II. habe in Deutschland einmal von den zwei Diktaturen berichtet, der "braunen" und der "roten", die er erlebt habe. Beide hätten keine Unterschiede zwischen Katholiken, Orthodoxen und Protestanten gemacht - "da habe ich gelernt, dass wir zusammengehören", so die Worte des polnischen Papstes. Dies sei die tiefste Quelle seines Engagements gewesen, sagte Koch.
Wenn Papst Franziskus heute von einer "Ökumene des Blutes" spreche, sehe er das ähnlich: Bei aller Tragik für die Verfolgten und Ermordeten könne in ihrer Zeugenschaft für den christlichen Glauben ein "Same für die Einheit der Kirchen" liegen, so die Hoffnung des Kurienkardinals.
Quelle: kathpress