Reformation heute so aktuell wie vor 500 Jahren
Auch nach 500 Jahren sind die Grundanliegen der Reformation aktuell. Das war der Tenor bei der Eröffnung der 18. Ökumenischen Sommerakademie im Stift Kremsmünster. Die Akademie steht heuer unter dem Motto "Es muss sich etwas ändern. Anstöße der Reformation." Im Vorfeld des Jubiläumsjahres 2017 sollen Impulse der Reformation benannt werden, die auch für heute notwendige Reformen Bedeutung haben.
Der Rektor der Katholischen Privat-Universität (KU) Linz, Franz Gruber, sagte in seiner Ansprache, Martin Luthers Thesen hätten eine Entwicklung in Europa ausgelöst, die bis heute Grundlagen der Gesellschaft sei sowie das Selbstverständnis der Menschen und ihre Religiosität präge. Gruber wörtlich: "Selbst nach 500 Jahren sind die Anliegen und Impulse der Reformation im Grunde so aktuell wie damals. Was ist für den Menschen das Heil und wo sucht er es zu finden? Welche Rolle spielen Glaube und Handeln, Gnade und Schuld? Worin besteht die Freiheit des Menschen? Wie verhalten sich Staat und Kirche zueinander, Individuum und Gemeinschaft? Wie viel Einheit und Verschiedenheit ist notwendig und möglich? Was heißt es heute, vom Gott der Gnade und Barmherzigkeit zu sprechen?" Diese und andere Fragen verbänden sich mit der Reformation, die Martin Luther ausgelöst habe.
Luther könne dank der ökumenischen Vorgänge des vergangenen Jahrhunderts auch in der katholischen Theologie und Kirche als Impulsgeber einer erneuerten Theologie anerkannt werden. Denn, so der Dogmatiker Gruber: "Das Zweite Vatikanische Konzil ist selbst ein spätes, im Grunde viel zu spätes Echo auf Einsichten, die auf die Reformationszeit und den Reformator zurückgehen."
Der Superintendent der Evangelischen Kirche in Oberösterreich, Gerold Lehner, nahm in seinem Grußwort Veränderungsprozesse in Kirche und Gesellschaft kritisch in den Blick. Keine Formel sei in den vergangenen Jahrzehnten so oft in den Mund genommen worden sind, wie jene von der ständig zu reformierenden Kirche. Dieser fordernde Ruf nach Veränderung sei in der zweitausendjährigen Geschichte der Kirche von unzähligen Menschen erhoben worden. Erneuerung sei aber meist nur dort entstanden, "wo Menschen diesen Ruf nicht primär als Forderung anderen gegenüber erhoben haben, sondern sich selbst einem Veränderungsprozess ausgesetzt haben".
In der Kirche seien Veränderungen immer in den großen Zusammenhang des Woher und Wohin eingebettet. Reformation frage "nach dem letzten Grund, nach der Gestalt, dem Wesen, das wir sind und nach dem wir uns immer wieder neu orientieren müssen, wenn wir in unserer Gegenwart so leben wollen, dass unser Leben für uns und andere ein Segen ist und kein Fluch." Im Raum der Kirche, der ja auch Raum der Gesellschaft sei, sei die Frage nach Veränderung immer auch die Frage nach Gott und den Menschen. Veränderungsprozesse in Gesellschaft oder Wirtschaft hätten vielfach diese Rückbindung nicht. Oft sei kein Woher und kein Wohin mehr erkennbar. Die Veränderung an sich sei schon die Legitimation. Dies rufe verständlicher Weise Verunsicherung hervor, warnte Lehner.
Stift Kremsmünster: Reform ist immer Thema
In seinen Begrüßungsworten gab Gastgeber Abt Ambros Ebhart vom Stift Kremsmünster einen Einblick in die Situation des Klosters und seiner Pfarren zur Zeit der Reformation und Gegenreformation. Bereits 1526 war auf dem Magdalenaberg ein lutherischer Prediger aufgetreten. Von den Sitzen der Adeligen aus hatte die Bewegung rasch um sich gegriffen und machte auch vor dem Kloster nicht Halt: Die Zahl der Mönche sank auf ein Minimum. Die Rekatholisierung erfolgte durch die Äbte Erhard Voit (1571-88), Alexander a Lacu (1601-13) und Anton Wolfrath (1613-39).
Abt Ebhart betonte, Reform sei für das Kloster nicht nur im 16. Jahrhundert ein Thema gewesen - derzeit werde etwa die Schule umgebaut: "Aus Internatsräumen werden Klassenzimmer. Erstmals seit den Jahrhunderten des Bestehens der Schule haben wir heuer vier erste Klassen - und der Trend hält an. Wir müssen in die Erziehung künftiger Generationen investieren", so der Abt. Er wies darauf hin, dass die Schule auch immer wieder von evangelischen Schülern besucht werde.
Parallelen Kirche-Politik
Wirtschafts-Landesrat Michael Strugl, der in Vertretung von Landeshauptmann Josef Pühringer ein Grußwort sprach, unterstrich Parallelen zwischen Kirche und Politik: "Kirchen und Politik sitzen oft in einem Boot, wenn es darum geht, den Ansprüchen zu genügen, die die Entwicklungen in der Gesellschaft an uns stellen. Kirchen und Politik verstehen sich als Gestalter, sie sehen einen Gestaltungsauftrag. Uns ist es nicht gleichgültig, wie diese Gesellschaft sich entwickelt - das verbindet uns mit dem Thema der Ökumenischen Sommerakademie und mit der Reformation."
Stelzer betonte die "Freiheit eines Christenmenschen", die Luther in einer seiner Schriften postulierte: Der Mensch sei zur Freiheit geboren und habe einen Anteil an der Schöpfung, "indem uns Fähigkeiten mitgegeben werden, um den Gestaltungsauftrag wahrzunehmen: in der Kirche, in der Politik oder an anderer Stelle in der Gesellschaft."
Unter den rund 300 Teilnehmern der Sommerakademie, die noch bis Freitag dauert, sind u.a. der Linzer Diözesanbischof Manfred Scheuer, der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker, der Linzer Altbischof Maximilian Aichern, die evangelische Oberkirchenrätin Ingrid Bachler, der Oberösterreichische Superintendent Gerold Lehner, der Vorsitzende der Superiorenkonferenz der männlichen Ordensgemeinschaften Österreichs, Abtpräses Christian Haidinger, und der Generalsekretär der Österreichischen Bischofskonferenz Peter Schipka. Am Freitag wird u.a. auch Kardinal Kurt Koch, Präsident des Päpstlichen Einheitsrates, das Wort ergreifen.
Quelle: kathpress