Religionsfreiheit und Papstbesuch im Fokus
Die Bedeutung der Religionsfreiheit für die positive Entwicklung einer Gesellschaft und die Möglichkeit eines Besuchs von Papst Franziskus standen im Fokus der jüngsten Reise von Kardinal Christoph Schönborn nach Weißrussland. Schönborn nahm als Sondergesandter von Papst Franziskus an den Feiern zum 25. Jahrestag der Errichtung der Erzdiözese Minsk-Mohilev teil. Die Festlichkeiten fanden am 1. und 2. Juli im Marienwallfahrtsort Budslau rund 150 Kilometer nördlich der weißrussischen Hauptstadt Minsk statt. Schönborn traf darüber hinaus auch Vertreter der Politik und besuchte die Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus in Trostinec bei Minsk.
Bei allen Gottesdiensten und Gesprächen unterstrich der Kardinal, dass sein Besuch als großes Zeichen der Wertschätzung des Papstes gegenüber Weißrussland zu verstehen sei. Franziskus liege sehr viel an diesem Land, das als Vermittler hoffentlich auch eine wichtige Rolle zur Beendigung des Ukraine-Konflikts einnehmen werde.
Der Wiener Erzbischof traf als Gesandter des Papstes bei seinem Besuch in Weißrussland auch mit Außenminister Vladimir Makej, der stellvertretenden Premierministerin Natalia Katschanova sowie Regionalpolitikern zusammen.
In seinen Begegnungen mit kirchlichen wie staatlichen Vertretern sprach Schönborn immer wieder die Bedeutung der Religionsfreiheit und guter geordneter Beziehungen zwischen dem Staat und den Kirchen an. Der Politik komme eine verantwortungsvolle Rolle zu, indem sie sowohl Religionsfreiheit wie die Zusammenarbeit zwischen den Religionen fördere. Alle weißrussischen Politiker versicherten Schönborn, dass der Staat großes Interesse an einem Besuch von Papst Franziskus und an guten Beziehungen zur Kirche habe.
"Selig ein Land, das glaubt"
Im Marienwallfahrtsort Budslau feierte Schönborn gemeinsam mit dem Minsker Erzbischof Tadeusz Kondrusiewicz und zahlreichen weiteren Bischöfen einen nächtlichen Gottesdienst mit Lichterprozession. Der eigentliche Jubiläumsgottesdienst zum 25-Jahr-Jubiläum der Erzdiözese Minsk-Mohilev, dem der Kardinal als Papst-Gesandter vorstand, fand dann am Samstag, 2. Juli, statt.
Das Marienheiligtum in Budslau habe die Schrecken des Nationalsozialismus und Kommunismus überstanden, so Schönborn wörtlich. Der Glaube der Menschen sei stärker gewesen. "Selig ein Land, das glaubt", so der Kardinal wörtlich. Er sprach in seiner Predigt u.a. die Bedeutung der Familie an. Totalitäre Regime, von denen gerade Weißrussland in der Vergangenheit genügend erlebt habe, aber auch diverse andere Ideologien wollten die Institution Familie zerstören. "Wir glauben aber an die Kraft der Familie", so Schönborn zu den rund 30.000 Gläubigen, die nach Budslau gekommen waren.
Im Brief des Papstes an Kardinal Schönborn, mit dem er ihn nach Weißrussland sandte und der beim Gottesdienst verlesen wurde, erinnerte Franziskus ebenfalls an die außerordentliche Glaubenstreue der weißrussischen Katholiken in der Zeit der kommunistischen Herrschaft. Besonders hob Papst Franziskus die Gestalt des Bekenner-Kardinals Kazimierz Swiatek (1914-2011) hervor, den "unerschrockenen Verteidiger des Glaubens". Zugleich drückte der Papst seine Hoffnung aus, dass die weißrussischen Katholiken in der Situation von heute die "Schönheit ihrer Berufung" in Wort und Tat zum Ausdruck bringen.
Erzbischof Kondrusiewicz unterstrich, dass das 25-Jahr-Jubiläum kein Grund allein zur Rückschau sei. Vielmehr gelte es, engagiert in die Zukunft zu schreiten und als Christen in die Gesellschaft Weißrusslands hineinzuwirken. Nur dann habe das Land eine gute Zukunft. Weißrussland brauche eine kraftvolle Erneuerung aus dem christlichen Glauben heraus, so der Erzbischof, der die christlichen Wurzeln und Traditionen des Landes unterstrich. Zugleich mahnte der Erzbischof ein, dass sich Europa endlich zu einer wirklich christlichen Union entwickeln müsse.
"Die katholische Kirche in Weißrussland ist lebendig, und sie wartet auf einen Besuch von Papst Franziskus", gab Erzbischof Kondrusiewicz dem päpstlichen Gesandten vor 30.000 Pilgern mit auf den Weg.
Reliquie für Griechisch-katholische Kirche
Im Rahmen des mitternächtlichen Gottesdienstes in Budslau überreichte Kardinal Schönborn an die Vertreter der Griechisch-katholischen Kirche in Weißrussland eine Reliquie des heilige Josaphat Kunzewytsch (1580-1623). Dabei handelt es sich um einen Teil des bischöflichen Ornats des Heiligen, der in Wien aufbewahrt wird. Die Reliquie ist ein Geschenk der unierten Katholiken in Österreich an jene in Weißrussland.
Schönborn war bei seinem Besuch in Weißrussland auch in zahlreichen Pfarren zu Gast, wo er ebenfalls die Glaubenstreue der weißrussischen Bevölkerung hervorhob. Wörtlich sprach er von der "Liebe des Volkes zu seiner Kirche, trotz aller Verfolgung und Schwierigkeiten". In der besonderen Weise würdigte er die Rolle der "Babuschki", also der alten Frauen, die auch in schwierigsten Zeiten den Glauben bewahrt und an die nächsten und übernächsten Generationen weitergegeben hätten.
Am Sonntag, 3. Juli, weihte der Wiener Erzbischof schließlich in Minsk eine neue katholische Kirche. Es war die erste Kirchweihe in Minsk seit 105 Jahren, wahrscheinlich werden aber demnächst weitere folgen: Fünf weitere katholische Kirchen sind in der weißrussischen Hauptstadt in Bau.
Große katholische Minderheit
Etwa 15 Prozent der rund zehn Millionen Einwohner Weißrusslands bekennen sich zur katholischen Kirche. Viele davon gehören der polnischen Minderheit an. Die katholische Kirche ist die zweitgrößte Konfession im Land. Von allen russisch-orthodox geprägten Ländern ist es das Land mit der größten römisch-katholischen Minderheit. Neben der Erzdiözese Minsk-Mogilew besteht die katholische Kirche in Weißrussland noch aus den Diözesen Grodno, Pinsk und Witebsk. Zur Erzdiözese Minsk-Mohilev gehören rund 625.000 Katholiken, zur Diözese Grodno 575.000, zur Diözese Pinsk 42.000 und zur Diözese Witebsk 173.000.
Die orthodoxe Kirche ist die mit Abstand stärkste Konfession in Weißrussland. Kardinal Schönborn war im Rahmen seines Besuchs auch mit Metropolit Pavel zusammengetroffen, dem Oberhaupt der orthodoxen Kirche in Weißrussland, die zum Moskauer Patriarchat gehört. Schönborn und Pavel unterstrichen die Notwendigkeit guter ökumenischer Beziehungen und den Nachholbedarf, den beide Kirchen in Weißrussland im Bereich der religiösen Bildung hätten.
Nach einer Zeit der Verfolgung und der Nicht-Existenz hierarchischer Strukturen in der früheren Sowjetunion hatte Papst Johannes Paul II. vor 25 Jahren die katholische Hierarchie nach der Zerstörung durch das kommunistische Regime wiederhergestellt. Mit dem Doppelnamen Minsk-Mogilew führt die Diözese die Tradition der Erzdiözese Mogilew weiter, die vor 1917 das Zentrum der katholischen Kirche des lateinischen Ritus im Russischen Reich war. Der Erzbischof residierte damals in St. Petersburg.
Wundertätige Ikone der Gottesmutter
In Budslau, dem Nationalheiligtum der weißrussischen Katholiken, wird eine Ikone verehrt, die für die Katholiken als Patronin des Landes gilt. Die wundertätige Ikone der Gottesmutter tauchte erstmals 1591 in Budslau auf, die erste Kirche wurde 1643 geweiht. 1767 erfolgte die Grundsteinlegung für die heutige Basilika. 1858 schloss die russische Regierung das an die Wallfahrtskirche angeschlossene Bernhardinerkloster; nach dem polnischen Aufstand von 1863/64 wurden die Klostergebäude als Kaserne missbraucht. Nach dem Wiedererstehen Polens wurde die Basilika ab 1921 restauriert.
Dass die eindrucksvolle Kirche den Zweiten Weltkrieg und die kommunistische Herrschaft überstand, wird in der örtlichen Tradition im buchstäblichen Sinn als Wunder gesehen: Drei Mal ging nach dem Einmarsch der Deutschen 1941 die Front über den Ort hinweg, aber an der Kirche gab es keine Schäden. Ein Versuch der kommunistischen Partei, die Kirche zu sprengen, blieb ebenfalls vergebens. Auch während der kommunistischen Zeit blieb die Wallfahrtsbasilika immer offen, ab 1990 konnte die Wallfahrt wieder offen durchgeführt werden, 1996 kehrten die Bernhardiner nach Budslau zurück.
An der Wallfahrt zur wundertätige Ikone der Gottesmutter nach Budslau nehmen jedes Jahr am 1. und 2. Juli zigtausende Katholiken aus ganz Weißrussland teil.
Quelle: kathpress