"Keine Neiddebatten auf Rücken sozial Schwacher"
Vor Bestrebungen, die Bedarfsorientierte Mindestsicherung (BMS) zu deckeln, hat Caritas-Präsident Michael Landau gewarnt. In einer Aussendung am Freitag appellierte er an die Mitglieder der Bundesregierung und forderte eine Versachlichung der Diskussion: "Wir brauchen keine Neiddebatten auf dem Rücken sozial schwacher Familien und armutsgefährdeter Kinder." Mehr als 1,2 Millionen Menschen in Österreich seien armutsgefährdet. Die BMS sei für diese Männer, Frauen und Kinder das letzte soziale Netz. "Wer hier von einer sozialen Hängematte spricht, hat vom Leben der Betroffenen keine Ahnung", ärgerte sich Landau über politische Wortmeldungen aus jüngster Zeit.
Es sei schwer genug, mit der Mindestsicherung die Kosten des täglichen Lebens bestreiten zu können. Eine BMS-Deckelung würde aus kinderreichen Familien lediglich Familien mit armen Kindern machen, prognostizierte Landau.
Er warb für einen Perspektivenwechsel zurück zur ursprünglichen Ausrichtung der Transferleistung: "Wir haben in Österreich schon zu Zeiten der Sozialhilfe entschieden, dass die Notlage zentral für eine Unterstützung ist und nicht die Frage im Vordergrund stehen darf, ob die Betroffenen bereits in unser Sozialsystem eingezahlt haben." Offenbar gelinge es der Politik nicht, den Unterschied zwischen Versorgungs- und Versicherungsleistung zu erklären. Wenn in Österreich auf eine Grundversorgung verzichtet werde, die das Überleben sichert, drohten als Folge zunehmende Verelendung und schlecht integrierte Bevölkerungsgruppen. "Wer bei der Mindestsicherung spart, spart sehr teuer!", warnte Landau.
Der Vorwurf, Mindestsicherung würde die Bereitschaft zu arbeiten verringern, geht nach den Worten des Caritas-Chefs in Leere: "Mindestsicherungsbezieher haben nicht die Wahl, ob sie arbeiten oder nicht. Der Einsatz der Arbeitskraft ist verpflichtend. Bei 500.000 arbeitslosen Menschen und maximal 100.000 verfügbaren Arbeitsstellen ist es abwegig, über Arbeitsanreize durch fahrlässige Kürzungen der BMS zu sprechen." BMS-Bezieher müssten ohnehin nachweisen, dass sie keine Arbeit finden, wies Landau hin. Deswegen stelle sich die Frage nach einem vermeintlich zu geringen Abstand zwischen Lohn und BMS gar nicht.
Sachleistungen dürfen nicht "entmündigen"
Den Vorschlag, einen Teil der BMS in Sachleistungen zu gewähren, sieht Landau differenziert: Eine Abdeckung der ortsüblichen Wohn- und Heizkosten sei für Bezieher in einigen Bundesländern bereits Realität. "Ein Ausbau von Aus- oder Fortbildungsleistungen kann durchaus sinnvoll sein, Lebensmittelgutscheine wären hingegen ein verwaltungstechnischer Irrsinn, der noch dazu Menschen entmündigt", so Landaus Einschätzung.
"Wir wissen aus der Praxis: Die Menschen wollen arbeiten, und das Ziel muss es sein, dass Menschen für sich selbst sorgen können", betonte der Caritas-Präsident. "Daher brauchen wir Arbeitsplätze und Löhne, von denen man leben kann, leistbaren Wohnraum und den Zugang zu Bildung." Den Schulen müsse mit Unterstützungspersonal wie Sozialarbeitern, Förderlehrkräften oder Psychologen geholfen werden.
Die Caritas forderte auch die Entlastung des Faktors Arbeit und mehr Engagement für zusätzliche Arbeitsplätze. Landau: "Ich vermisse kreative Wege, um den Menschen Arbeitsmöglichkeiten zu geben. Wir brauchen einen besseren Übergang vom BMS-Bezug zur Beschäftigung und mehr Investitionen in die Ausbildung der betroffenen Menschen."
Quelle: kathpress