Freiwilliges Ordensjahr ist "ganz heißes Angebot"
Das Freiwillige Ordensjahr, bei dem Menschen bis zu zwölf Monate in einer Ordensgemeinschaft mitleben können, ist für den Markt- und Jugendkulturforscher Bernhard Heinzlmaier "ein ganz heißes Angebot". In der heutigen Zeit, da "alles zu kalt, zu schnell und zu laut" sei, böten die österreichischen Ordensgemeinschaften damit die Möglichkeit, "in sich rein zu hören" und den eigenen Ursprung zu finden. Das ist nach den Worten Heinzlmaiers ein wertvolles Kontrastprogramm zur postmodernen Gesellschaft, die permanent Initiative und mentale Stärke abverlange. Der davon erschöpfte Mensch breche unter diesem Druck zusammen, "oder er flüchtet sich in Depressionen". Das Ordensleben stehe dem entgegen. "Ich bin überzeugt, wenn sie es geschickt anfangen, gehört den Orden die Zukunft."
Heinzlmaier äußerte sich in der aktuellen Ausgabe der "OrdensNachrichten", die mehrere Beiträge der Jugend widmen. Im Blick auf die kürzlich erschienene deutsche Sinus-Jugendstudie diagnostizierte der Wiener Forscher bei der Mehrheit der heutigen Jugendlichen eine hohe Bereitschaft zur Anpassung; sie gehörten dem "Milieu der so genannten Adaptiv-Pragmatischen" an, die in vielem den eigenen Vorteil verfolgten "und versuchen aufzusteigen, indem sie mitmachen. Aufstieg durch Anpassung - das ist ihr Konzept", so Heinzlmaier.
Demgegenüber in der Minderheit seien postmaterialistisch und ökologisch orientierte Jugendliche, die einen Anspruch auf Gesellschaftsveränderung haben und denen Ideale wichtiger sind als Geld.
Diesen Wandel gegenüber früheren Generationen erklärte Heinzlmaier mit dem wachsenden "Sorgendruck" und der Ökonomisierung aller Lebensbereiche. Die zwischen 1955 und 1965 geborene Generation der "Babyboomer" habe relativ unbeschwert aufwachsen können. "Es gab Jobs und günstige Wohnungen - die idealen materiellen Voraussetzungen, um eine Familie zu gründen. Man konnte vieles dem Zufall überlassen und glaubte, alles würde sich schon irgendwie zum Guten wenden - und das funktionierte auch meistens." Das ist laut dem Jugendforscher heute nicht mehr der Fall. Deswegen würden die Menschen viel strategischer vorgehen.
Glaube muss heute "nützlich" sein
Auswirkungen habe der damit verbundene Fokus darauf, was einem persönlich nutzt, auch im Bereich der Religion. Hier sei viel Deinstitutionalisierung anzutreffen. Laut Sinus-Jugendstudie sei eine ganz typische Einstellung junger Leute: "Ich bin ein gläubiger Mensch, aber ich brauche die Kirche nicht dazu." Oder anders ausgedrückt: "Ich habe gar kein Interesse daran, so eine persönliche Sache wie den Glauben von irgendeiner Institution regulieren zu lassen. Das mache ich mit mir selber aus." Nach den Worten Heinzlmaiers hat auch der Glaube viel mit Nützlichkeitserwägungen zu tun - "er muss mir helfen". Mit dem Glauben im traditionellen Sinn hat dies in den Augen des Forschers nichts zu tun.
Heinzlmaier relativierte auch den heute vielbeschworenen Begriff der Toleranz. Deren postmoderne Form könne man umschreiben mit "jeder kann machen, was er will - ich mische mich nicht ein. Und verlange dafür, dass der andere sich nicht in mein Leben einmischt."
Quelle: kathpress