Arbeitsrechtlerin ortet Änderungsbedarf
In der aktuellen Debatte um eine Ausweitung des Karfreitags als gesetzlicher Feiertag für alle bestätigt die Wiener Arbeitsrechtlerin Andrea Potz einen tatsächlichen Änderungsbedarf. Es gebe eine rechtliche Problemzone, das "Privileg" für Evangelische und Altkatholiken sei sowohl nach Europarecht wie auch nach dem Gleichheitsgrundsatz bedenklich, sagte Potz im "Kathpress"-Interview: "Unter Experten war das schon länger Thema". Sie sei überrascht, dass nun ausgerechnet jemand ohne religiöses Bekenntnis dagegen aufbegehrt. Sie hätte eher erwartet, dass andere Kirchen bzw. Religionsgemeinschaften Einspruch erheben würden. Grundsätzlich gebe es nun zwei Möglichkeiten: Das Privileg zu streichen oder für alle einen zusätzlichen freien Tag zu schaffen, was im Detail freilich höchst komplex wäre.
Hintergrund der Debatte ist ein Urteil des Oberlandesgerichts Wien, das Änderungen bei der geltenden Regelung für religiöse Feiertage in Österreich zur Folge haben könnte: Ein Mann ohne Bekenntnis hatte geklagt, weil er am Karfreitag 2015 gearbeitet, dafür jedoch keinen Feiertagszuschlag bei seinem Gehalt bekommen hat, berichteten die "Salzburger Nachrichten" in ihrer Mittwoch-Ausgabe. Er fühlt sich konkret gegenüber evangelischen und altkatholischen Arbeitnehmern benachteiligt. Für diese ist der Karfreitag nach den in Österreich geltenden Gesetzen ein Feiertag, während Angehörige anderer Religionsgemeinschaften und Konfessionslose arbeiten müssen. Anders als das Erstgericht, sieht das Wiener OLG einen Verstoß gegen die EU-Gleichbehandlungsrichtline. Das Verfahren ist nun beim Obersten Gerichtshof anhängig.
Insgesamt gibt es in Österreich 13 gesetzliche Feiertage, die Arbeitnehmern gemäß Arbeitsruhe- und Feiertagsruhegesetz unabhängig von einer Religionszugehörigkeit zustehen: Neben Neujahr (1. Jänner), Staatsfeiertag (1. Mai) und dem Nationalfeiertag (26. Oktober) zählen dazu Heilige Drei Könige (6. Jänner), Ostermontag, Christi Himmelfahrt, Pfingstmontag, Fronleichnam, Mariä Himmelfahrt (15. August), Allerheiligen (1. November), Mariä Empfängnis (8. Dezember), Weihnachten (25. Dezember) und der Stephanitag (26. Dezember).
Zusätzlich sieht das Feiertagsruhegesetz vor, dass der Karfreitag ein gesetzlicher Feiertag für Angehörige der evangelischen Kirchen A.B. und H.B., der Altkatholischen Kirche und der Evangelisch-methodistischen Kirche ist. Für Angehörige der israelitischen Glaubensgemeinschaft gilt auf Basis eines Generalkollektivvertrages auch der Versöhnungstag "Jom Kippur" unter bestimmten Voraussetzungen als arbeitsfreier Tag, wenn sie das mindestens eine Woche vorher bei ihrem Dienstgeber beantragen.
Für alle Arbeitnehmer, egal ob sie einer Religionsgemeinschaft gehören oder nicht, kommen zudem unterschiedliche, in einzelnen Kollektivverträgen verankerte Feiertagsregelungen zum Tragen, durch die in manchen Branchen etwa der 24. oder der 31. Dezember arbeitsfrei sind. In den Bundesländern gibt es außerdem per Landesgesetzgebung festgeschrieben Feiertage, meist zur Feier des jeweiligen Landespatrons. Arbeitsfrei ist hier oft aber nur an Schulen, Ämtern oder Behörden.
Hohe Komplexität der Materie
Hinsichtlich der kollektivvertraglichen Regelungen wies Potz als Beispiel auf den Universitätenkollektivvertrag hin. Demnach hätten Angehörige von staatlich anerkannten Religionen Anrecht auf zwei zusätzliche freie Tage im Jahr. Freilich sei hier schwer zu argumentieren, warum dies nur für Angehörige staatlich anerkannter Religionen oder Bekenntnisgemeinschaften der Fall sein soll. Und die Gruppe der Personen ohne religiöses Bekenntnis sei davon auch nicht berührt. Auch dies sei vom Gleichheitsprinzip her bedenklich.
Andererseits wiederum könne man argumentieren, dass auch die jetzt schon arbeitsfreien Feiertage von ihrer Genese her großteils religiös konnotiert und gewisse Privilegien für Religionen bzw. religiöse Menschen daher durchaus zulässig seien.
Fazit von Potz: Dass die derzeit bestehende Karfreitagsregelung rechtlich vielfältig bedenklich und Änderungsbedarf gegeben ist, stehe außer Zweifel. Wie diese Änderungen aussehen könnten, sei freilich eine komplexe Materie mit derzeit offenem Ausgang.
Quelle: kathpress