Politik soll "Integrationsverhinderung" beenden
Ein Integrationspaket hat Caritas-Präsident Michael Landau anlässlich des Weltflüchtlingstages am 20. Juni von der Bundesregierung gefordert. Ziel müsse sein, den Flüchtlingen "nach dem Unterkommen das Ankommen in der Gesellschaft zu ermöglichen", betonte er am Freitag vor Journalisten im Caritas-Flüchtlingsquartier "Damaris" in Wien-Döbling. Derzeit fahre die Politik ein "Integrationsverhinderungsprogramm", die es ebenso zu beenden gelte wie die gefährliche "Symbolpolitik", forderte Landau gemeinsam mit dem Schriftsteller Michael Köhlmeier.
Strikt sprach sich Landau gegen eine europäische Asylpolitik nach australischem Vorbild wie auch gegen Asylzentren in Nordafrika aus. "Nichts kann die Solidarität der 28 EU-Staaten ersetzen. Was wir brauchen, ist eine Ausweitung der Hilfen in den Krisenregionen, eine faire Verteilung der Verantwortung für die ankommenden Flüchtlinge und das Schaffen sicherer Wege nach Europa", so der Caritas-Präsident. Die derzeitige Strategie, gleichzeitig Schlepper zu verfolgen und Flüchtlinge in ihre Arme zu treiben, sei nur "zynisch". Infolge der derzeitigen Situation würden täglich 18 Menschen bei der Überfahrt nach Europa im Mittelmeer ertrinken - 2.814 waren es insgesamt seit Jahresbeginn.
In Richtung der österreichischen Politik erneuerte Landau seine Kritik an den im April beschlossenen Verschärfungen des Asylrechts mit Obergrenzen, "Asyl auf Zeit" und erschwertem Familiennachzug, sowie an den jüngsten Kürzungen bei der Mindestsicherung, die subsidiär Schutzberechtigten bisher bei den Kursen und den ersten Schritten in den Arbeitsmarkt geholfen habe. Mit der "kurzsichtigsten Sozialpolitik seit langem" wolle man ein möglichst "hässliches Gesicht" Österreichs zeigen, kritisierte Landau und merkte bitter an: "So teuer wird hier wird selten gespart."
Vorschläge, bei denen "niemand verliert"
Die Verschärfungen und Kürzungen sollten alle wieder entsorgt und stattdessen umfassende Maßnahmen zur besseren Integration der Flüchtlinge eingeleitet werden, so Landaus Ratschlag. Junge Asylwerber bräuchten bessere Bildungsmöglichkeiten, wozu die neue Ausbildungspflicht und -garantie bis 18 auch für sie gelten müsse und der Zugang zu Lehre sowie die Anerkennung von ausländischen Studien zu erleichtern sei. Ein diese Woche im Parlament beschlossenes Anerkennungsgesetz gehe da nicht weit genug. "Wir können es uns als Gesellschaft nicht leisten, auf die Talente zu verzichten", so der Caritas-Präsident.
Um das derzeitige "De-facto-Arbeitsverbot" zu überwinden, sei stufenweise der Arbeitsmarkt für Asylwerber zu öffnen, gab Landau eine gemeinsame Forderung mit den Sozialpartnern und dem AMS wieder. Arbeit sei die beste Integration; könnten die Betroffenen einmal für sich selbst sorgen, "dann hat niemand etwas zu verlieren". Zuerst sollte dies für gemeinnützige Tätigkeiten gelten, nach dem Vorbild der Salzburger Christkindlmärkte oder den Schülerlotsen in Niederösterreich. Hemmend für Städte und Gemeinden sei jedoch ein bisher viel zu kompliziertes Prozedere, für die potenziellen Arbeitgeber hingegen die geringe Zuverdienstgrenze von nur 110 Euro.
Eine Kehrtwendung forderte der Caritas-Präsident auch für die Notstands-Verordnung. "In Wahrheit ist die innere Ordnung nicht gefährdet, solange es freie Betten gibt." Worum er sich sorge, sei vielmehr die "innere Verfasstheit" des Landes. Bei allen nachvollziehbaren Sorgen dürfe man den Blick nicht verengen und "Gefahren orten, wo Chancen liegen", denn: "Auch die Erfolgsgeschichte der Zweiten Republik wurde von den Gastarbeitern mitgeschrieben."
Köhlmeier: Sind in Charakterkrise
Kritik übte auch der Schriftsteller Michael Köhlmeier, der zuletzt in seinem Buch "Das Mädchen mit dem Fingerhut" die Geschichte eines Flüchtlingsmädchens erzählt, das ohne Familie in einer europäischen Stadt sein Leben zu meistern versucht. Statt einer Flüchtlingskrise sehe er eine "Krise des Charakters", bei der das solidarische Denken und die Fähigkeit, Mitleid zu empfinden - als wesentliche Teile des Menschseins - in Gefahr seien. Dies sei dann der Fall, "wenn wir Leute als störend, als Gegner und Feinde empfinden und ihnen Schritt für Schritt das Menschsein absprechen".
Vor allem über die Sprache laufe dieser Prozess, beobachtete Köhlmeier. "Wenn wir etwa von einer Flüchtlingswelle sprechen, dann nehmen wir den davon betroffenen Menschen ihr Gesicht. Eine Welle ist nichts menschliches, nicht einmal etwas organisches. Zwar scheint das Wort unverdächtig, doch nimmt es uns die Mitleidsfähigkeit und dem anderen das Menschsein." Ein "starkes Stück" sei es auch, Engagierte als "Gutmenschen" zu diskreditieren. Sprache und ihre Veränderungen müssten daher genau beobachtet und hinterfragt werden. Köhlmeier: "Taten geht die Sprache voran - den guten wie auch den bösen."
Quelle: kathpress