Jesus würde heute über Fußball reden
Der Fußball beinhaltet laut dem Priester Christoph Pelczar eine "tiefe spirituelle Dimension": Im Kampf um das runde Leder spielten zentrale Aspekte des Menschseins - und auch der Religion- eine Rolle, so der frühere Mentalcoach beim SK Rapid und Pfarrer von Weikendorf (NÖ) am Freitag im Interview mit "Kathpress". Heute würde Jesus wohl über den Ball sprechen: "Für Jesus waren immer die einfachen Dinge wichtig und er nahm für seine Botschaften Bilder aus dem Leben der Menschen. Ganz sicher würde er heute Verbindungen zum Fußball schaffen", so der Fußball-begeisterte Priester.
Das Geschehen am Trainingsplatz und erst recht im Stadion ist Pelczar zufolge eine verdichtete Abbildung des Lebens: "Mittellinie, eigene Hälfte, Corner, Strafraum und Torlinie haben viel mit dem Inneren des Menschen zu tun. Jeder steht auch im Alltag manchmal im Abseits oder drängt andere dorthin, ist nach einem Foul verletzt, rennt ohne Ball, bietet sich an, spielt sich frei oder feiert Feste wie ein Tor." Zu allen Emotionen, zu religiösen Inhalten wie Glaube, Hoffnung und Liebe und auch zu schlimmen Momenten, Versuchungen und Notlagen fänden sich direkte Entsprechungen im Fußball.
Fußball sei "großer Lehrmeister der Persönlichkeitsentwicklung" für jeden, der sich dieser Dimension öffne, so das Credo Pelczars, der in Polen vor der Priesterlaufbahn selbst Profi-Kicker war. Als guter Fan oder Spieler erlerne man positiven Kampfgeist und konstruktive Kritikfähigkeit, den Umgang mit Sieg und Niederlage, Demut und das Verfolgen eigener Ziele. Das Training lehre Disziplin und Selbstdisziplin sowie positive Umgangsformen wie Begrüßen, der Blick in die Augen selbst eines übermächtigen Gegners, Höflichkeit, Fairplay und ein Annehmen des Einzelnen in seinen Stärken und Schwächen. Pelczar: "Das trägt auch zu Integration und Frieden in der Gesellschaft bei."
Spielen mit Leib und Seele
Der Glaube sei im Fußball wesentlich, um "mit Leib und Seele zu spielen" und Potenziale freizusetzen, betonte der frühere Rapid-Mentalcoach. "Der Glaube lässt davon ausgehen, dass wir alle als Unikate geboren werden. Die Gefahr ist aber, als Kopie zu sterben - wenn etwa viele nur Idole nachahmen und Ronaldo oder Messi sein wollen, dabei aber ihre je eigenen Begabungen vergessen. Reißt man die Seele ab, wird man zu einer Karikatur." Glaube sei auch eng mit Teamgeist verbunden. Nicht zufällig würden sich daher manche Top-Vereine als "Glaubensgemeinschaft" bezeichnen.
Beeindruckt zeigte sich der Seelsorger über persönliche Glaubensbezeugungen zahlreicher Top-Profis: "Viele bezeichnen Gott als ihre Kraftquelle und ihr Fundament. Zwischen Glaube und Fußball gibt es ein dynamisches Wechselspiel, beide spielen im selben Team." Gebetsgesten seien daher bei Fans und Sportlern gleichermaßen verbreitet. Das häufig beobachtbare Berühren des Rasens mit anschließendem Bekreuzigen deutete Pelczar so: "Die Spieler spüren, dass ihnen in Momenten hoher Erwartungen und Ängsten nichts Irdisches mehr Kraft gibt, sondern nur die Verbindung mit ihrem Schöpfer, dem sie sich und ihr Team anvertrauen."
Vor großem Publikum derart furchtlos zum eigenen Glauben zu stehen sei eines jener Dinge, die die Kirche vom Fußball abschauen sollte, erklärte der Fußball-Pfarrer. Aufholbedarf gebe es auch im Teamgeist - wo es darum gehe, Menschen in der jeweiligen Lebensgeschichte anzunehmen und die eigene Gemeinschaft als Familie zu sehen - sowie in der Begeisterung. "So ein großes Hurra wie die Jubelgesänge nach einem Tor müsste auch unser 'Halleluja' sein. Doch wir haben daraus den Alltagsspruch 'Na, halleluja!' gemacht - im Sinne von 'Na, so eine Bescherung!'", so Pelczar selbstkritisch.
Quelle: kathpress