Die 24 Patrone der EM: Mit Schirm, Schwert und ohne Melone
Portugals Cristiano Ronaldo zeigt jeden Spieltag neu sein Sixpack - und damit die Botschaft: Am Ende kickt jeder für sich allein. Aber gegen einen Schutzpatron kann doch wohl keine der 24 Teilnehmernationen bei der Fußball-EM etwas einwenden? Eine kurze Zusammenschau der Patrone der Länder mitsamt ihren Stärken zeigt auf, dass kultureller Austausch Europa schon immer gutgetan hat.
Albanien: Die selige Mutter Teresa von Kalkutta (1910-1997), Patronin des Fairplay, kommt erst am 4. September zu höchsten Kirchenehren. Dann wird Albanien entweder bereits Europameister - oder ausgeschieden sein. Bei der EM in Frankreich muss also der Nationalheld Gjergj Kastrioti (1405-1468) ran, genannt Skanderbeg: ein Verteidiger vor dem Herrn, vor allem gegen die Osmanen.
Belgien: Nationalpatron der Flamen und Wallonen ist Josef von Nazareth (vor 20 v. Chr.- ca. 20); ein kerniger Recke im defensiven Mittelfeld, der eigentümliche Visionen aushält und sein Handwerk versteht. Eher Verteidiger als Stürmer, ermöglicht er durch Standhaftigkeit und Duldsamkeit das Allergrößte.
Deutschland: Der Apostel deutscher Tugenden ist - frustrierend für unsere Nachbarn - ein Brite. Der heilige Bonifatius (672-754) war als Missionar ganz vorne und trieb den Germanen beim Auswärtsspiel in Fulda schon früh den Mythos von der deutschen Eiche aus. Seitdem agierte das Team von Jogi Löw immer flexibler - und wurde 2014 durch einen Götzen Weltmeister.
England: Die potenziellen EU-Aussteiger von der Insel holten ihren Nationalpatron aus der Türkei - Ablösesumme unbekannt. Der heilige Georg von Kappadokien, ermordet um 303 bei der Christenverfolgung unter Diokletian, ist bekannt als tapferer Ritter und Drachentöter. Erklärt sich so, dass die Elf unter dem Georgskreuz niemals aufgibt - außer beim Elfmeterschießen?
Schwachpunkt der Gastgeber
Frankreich: Eigentlich passt doch alles für die Franzosen - sie sind EM-Gastgeber, und ihr Patron, der heilige Bischof Martin von Tours (eigentlich ein römischer Ungar!), feiert 2016 an der Loire, in Eisenstadt und ganz Europa seinen 1.700. Geburtstag. Und doch: Martin hat einen schwachen Punkt - er teilt allzu gern mit anderen.
Kroatien: Der heilige Hieronymus von Stridon (347-420) war ein Kirchenvater und Gelehrter der Alten Kirche. Hochgebildet, war er wegen seines Temperaments permanent rotgefährdet. Theologische Meinungsverschiedenheiten nahm er persönlich - und antwortete entsprechend. Sein stetiges Gebet: "Sei mir gnädig Herr, da ich Dalmatiner bin."
Irland: Die Iren führen ihren Schutzpatron ständig mit sich. Grüne Trikots und ein Kleeblatt auf dem Guinness-Schaum stehen für den heiligen Patrick (um 400-461). Als Theologe/Techniker ein vergleichsweise unsicherer Kandidat, kannte er doch alle Tricks - und trug sowohl in Frankreich als auch in der Heimat viele Siege davon.
Island: Bei den Heiligen spielte er zwar nicht Erste Liga. Aber Thorlak Thorhallson (1133-1193), Bischof von Skalholt, sorgte stets für Disziplin auf dem Platz. Ausgebildet in Paris und Lincoln, ließ er den Bauern seiner Diözese keinen Schlendrian durchgehen. Respekt für ihn auch in Norwegen und auf den Faröer-Inseln!
Italien: "Ausgerechnet in Italien!", ist man geneigt auszurufen. Nationalpatronin des Stiefels ist eine Sie: Katharina von Siena (1347-1380). Die Ordensfrau hatte in schwierigen Zeiten die Hosen an - und ordnete selbst dem Papst an, wo er zu sein hatte: in Rom statt im heute französischen Avignon. Daumen hoch für Frauen mit Mut zum Anpfiff!
Nordirland: Er ist einer von zwei geteilten Nationalheiligen der EM: Die britischen Nordiren brauchen den heiligen Patrick (um 400-461/91) ebenso wie die republikanischen Iren. Möglich, dass der grüne Patron nach dem 23. Juni noch in einer weiteren Kategorie eine gespaltene Persönlichkeit ist: EU-Bürger - und Nicht-EU-Bürger.
Mit Milde zum Sieg
Österreich: Wie war noch mal der Beiname von Markgraf Leopold III. (1073-1136), dem heimischen Nationalheilige? Klar: "der Milde". Trotzdem stand er in der Schlacht immer am richtigen Platz. Und wo es der Babenberger wollte, wuchs kein Wald mehr.
Polen: Unser östlicher Nachbar ist nicht knapp an Heiligen. Bischof Stanislaus von Krakau (um 1030-1079) aber war ein besonderer Kämpfer: Für seine Überzeugung widerstand er sogar dem König und dem polnischen Primas - und bezahlte mit seinem Leben. Ganz am Ende steht er aber auch für ultimative Effizienz. Eine alte Bauernregel sagt: "Wenn sich naht Sankt Stanislaus, rollen die Kartoffeln raus."
Portugal: "C7" heißt Portugals zeitgeistige Cowboy-Ikone mit den gezupften Augenbrauen und dem nur widerwillig verpackten Astralkörper. Das Gegenbild ist der demütig gewordene Millionärssohn, Franziskaner und Fastenprediger Antonius von Padua (1195-1131), Kirchenlehrer und Helfer bei verlorenen Gegenständen. Ob vielleicht er den Portugiesen endlich den EM-Pokal verschaffen kann?
Rumänien: Willensstark und leidensfähig - so beschreiben die Evangelisten den heiligen Andreas (gest. um 60). Der kleine Bruder des Petrus gehörte definitiv zur Stammelf der Apostel und blieb stets ein Rückgrat der "Mannschaft". Obwohl viel unterwegs, wurde er nie zum Söldner und kämpfte bis zum Kreuzestod in Griechenland. Sein Glaube sollte den gläubigen Rumänen in ihrer Außenseiterrolle helfen.
Russland: Ausgerechnet die Russen setzen beim geistlichen Beistand auf Kleinasien. Der Apostel Andreas, Bruder des Petrus, ist just Patron des Patriarchats von Konstantinopel, des ewigen Rivalen des russisch-orthodoxen Moskauer Patriarchen. Moskau, das "dritte Rom", vertraut auf den Schutzmann des "zweiten Rom" im Osten. Kann das gutgehen in Paris?
Schweiz: Muss man sich wundern, dass ein Einsiedler die Schweiz beschützt? Nikolaus von Flüe (1417-1487) war ein Visionär, Bauer, Familienmensch. Doch er war zu Höherem berufen - und so machte er seine Berufung zu seinem zweiten Leben: die Verteidigung des Glaubens. "Bruder Klaus" wurde zum Vorbild des defensiven "Schweizer Riegels", der in den 1930er bis 50er Jahren vor allem auf Konter setzte.
Gewissensprediger und Pilgermagnet
Schweden: Die heilige Birgitta (1303-1373) war Europäerin durch und durch - und tat alles, was Kirche gut findet: Sie gebar acht Kinder, bevor ihr Mann und sie sich für das Ordensleben entschieden. Birgitta gründete eine bis heute wirkmächtige Ordensgemeinschaft und redete selbst dem Papst ins Gewissen. Ob sie einen so schönen Zopf hatte wie der Ur-Schwede Zlatan Ibrahimovic (34), ist nicht überliefert.
Slowakei: Eines der kleinsten EM-Länder hat gleich zwei Patrone - die Bender-Brüder der Slawenmission. Kyrill (826/827-869) und Method (um 815-885). Die beiden Missionare aus dem griechischen Thessaloniki sind zusammen die "Slawenapostel". Kein Slowake kann jemals so viele Tore schießen, wie diese beiden für Europa geöffnet haben. Ihr Monatseinkommen war dennoch nachweislich geringer.
Spanien: Für die Spanier ist er allein der "wahre Jakob" (gest. um 44). Seit Papst Johannes Paul II. 1980 den Jakobsweg nach Jahrhunderten der Flaute auf die europäische Agenda zurückbrachte, führen wieder alle Wege zum Apostelgrab nach "Sant-Iago". Und mit den Pilgern kamen allmählich auch die Titel zurück: Weltmeister 2010, Europameister 2008 und 2012.
Tschechien: Obwohl keine Christen, hießen die beiden ersten Staatspräsidenten der postkommunistischen Ära Wenzel/Vaclav. Ihr Namenspatron, der heilige Wenzel von Böhmen (907-935), starb im besten Fußballeralter. Junger Herrscher und frommer Christianisierer, wollte er zugunsten seines Bruders abdanken und ins Kloster gehen. Doch der erschlug ihn noch während der Messe. Tendenz: frühes Aus.
Trainer-Superstar
Türkei: Heute zu über 99 Prozent muslimisch, führt die Türkei einen der stärksten christlichen Heiligen ganz Europas aufs Feld. Bischof Nikolaus von Myra (270/86-343/51) hat die Jugend auf seiner Seite, die Manager/Händler und die Star-Trainer. Wäre der "Hyperhagios" neben all seinen vielen Jobs auch noch Patron der Schiedsrichter, wäre Schlimmes zu befürchten: jede Menge Geschenke...
Ukraine: Durch Taufe und Eheschließung wurde der Fürst der Kiewer Rus, Wladimir, 988 Teil der kaiserlichen Familie in Konstantinopel und der Familie der christlichen Könige des Mittelalters. Die Spannung zwischen Ost und West hält auch mehr als 1.000 Jahre später an. Und doch soll ja am Ende nur das Runde ins Eckige.
Ungarn: Nein, der Linksfuß Ferenc Puskasz ist es nicht - sondern der heilige Stephan (969-1038). Seine einbalsamierte "heilige Rechte" (Szentjobb) wird heute in der Stephansbasilika in Pest am Ostufer der Donau verehrt. Links oder rechts - Ungarn hat seit dem "Wunder von Bern" 1954 fußballerisch nichts mehr getroffen. Ein gutes Omen: Budapest gilt als das "Paris des Ostens". Allez also!
Wales: Der heilige David (um 512-587) war Bischof von Menevia (walisisch "Mynyw", heute St. Davids. Von königlichem Geblüt, wollte er lieber Gras fressen. Seine Klosterregel schrieb vor, dass Mönche den Pflug selbst, ohne die Hilfe der Kraft von Tieren, zu ziehen hatten. Sie durften nur Wasser trinken, nur Brot mit Salz und Kräutern essen. Kann dieses Rezept Wales zum EM-Titel 2016 führen?
Quelle: kathpress