Migration nicht nur aus negativem Blickwinkel sehen
Migration gehört zur Menschheitsgeschichte und wird als Phänomen gerade wird in einer globalisierten Welt sichtbarer: Darauf hat Caritas-Präsident Michael Landau in einem ausführlichen Interview in der aktuellen Ausgabe des "Südwind"-Magazins hingewiesen. Wanderungsbewegungen sollten nicht ausschließlich aus einem negativen Blickwinkel gesehen werden. Sie seien vielmehr ein "Vorgang, der zu einer zusammenwachsenden Welt gehört und der im Sinne aller gestaltet werden kann", erklärte Landau. Das sei auch zukunftsträchtiger als das "Abschotten", das derzeit in der Politik Österreichs vorherrsche.
Landau wörtlich: "Abschotten mag im Moment eine scheinbare Entlastung mit sich bringen, aber es ist vollkommen illusorisch zu glauben, dass Menschen, die vor Bomben fliehen, sich von Zäunen aufhalten lassen. Es wird kein Weg an europäischen und weltweiten Lösungen vorbeiführen."
Die Ursachen, dass sich Menschen auf den Weg machen, sind nach den Worten des Caritas-Chefs vielfältig. Maßnahmen im Bereich der jüngst von der Regierung aufgewerteten Entwicklungszusammenarbeit leisteten einen Beitrag, damit Menschen in Herkunftsländern eine Lebensperspektive finden. "Zu sagen, wir stoppen Migration damit, ist allerdings weder richtig noch sinnvoll", meinte Landau. "Wer auf Österreich achten will, muss heute auf die ganze Welt achten." Syrien liege heute "im Vorgarten", die Ukraine in der Nachbarschaft, und auch das von einer Hungerkatastrophe bedrohte Äthiopien befinde sich im Blickhorizont. "Dieses Leid geht uns etwas an und hat mit unserer Lebensrealität zu tun", betonte Landau. "Wohlstandsinseln in einem Meer von Armut sind nicht auf Dauer stabil."
Wie kann man jene erreichen, die die Caritas oder andere zivilgesellschaftliche Organisationen als "Asylmafia" beschimpfen? Auf diese "Südwind"-Frage antwortete Landau: Durch Information und Begegnung. Der aufgeheizten Stimmung im Land werde man nur mit Zuhören erfolgreich begegnen können. Und es gelte, bei Kritikern "die Herzen zu erreichen".
Zuletzt "keine Ruhmesphase der Politik"
Die vergangenen Monate in Österreich waren nach der Wahrnehmung des Caritas-Chefs "nicht nur eine Ruhmesphase der Politik". Er würde sich "schon deutlicher die Botschaft erwarten, dass sich globale Krisen wie Klimawandel, Hunger und Ungerechtigkeit nicht an Grenzen halten".
Kritik äußerte Landau erneut an der jüngsten Novelle zum Asylgesetz: Asyl sei ein "heiliges Recht", griff Landau ein Wort der österreichischen Bischöfe auf. Wenn sich Österreich "klammheimlich" aus internationalen rechtlichen und humanitären Verpflichtungen verabschiede, würden wesentliche Grundbestandteile der Republik gefährdet. "Mit einem Ausnahmezustand ohne realen Notstand zu argumentieren, ist brandgefährlich", warnte Landau. "Hier werden Ängste nicht genommen, sondern geschürt. Das ist der falsche Weg."
Notwendige Maßnahmen seien hingegen, die Hilfe in Krisenländern auszubauen, Integration in Österreich zu fördern und zugleich die Not der Österreicher nicht zu vergessen: "Die eine Not darf nicht gegen die andere ausgespielt werden."
Für eine zukunftstaugliche Gesellschaft ist nach Überzeugung Landaus neben engagierten Individuen auch die strukturelle Ebene wichtig. Wesentlich dabei: der Sozialstaat - "da werden wir uns um neue Balancen bemühen müssen". Der Caritas-Präsident bezeichnete eine leistungsfähige Wirtschaft und ein tragfähiges soziales Netz als "zwei Pfeiler ein und derselben Brücke. Und die Brücke braucht beide Pfeiler."
Mehr Geld für EZA richtig einsetzen
Lob zollte Landau der Regierung für die Aufstockung der Mittel für Auslandskatastrophenhilfe sowie Entwicklungszusammenarbeit. Abzuwarten bleibe freilich, wie das zusätzliche Geld verwendet wird "und ob die Hilfe wirklich in Richtung der schwächsten Länder, der Least Developed Countries, geht". Landau warnte vor der "Versuchung, Dinge zu verknüpfen, bei denen grundsätzlich Verknüpfungen nicht sinnvoll sind".
Konkret kritisierte Landau Versuche wie in Deutschland, Entwicklungshilfe für Staaten von deren Rückübernahme von Flüchtlingen abhängig zu machen, oder wenn wenn Entwicklungshilfe allein als "versteckte Unternehmensförderung" gesehen werde. Nach den Worten Landaus muss sich Entwicklungshilfe zuallererst an der Not der Menschen orientieren.
In dem Interview würdigte der Caritas-Präsident auch die Rolle von Papst Franziskus in aktuellen Krisensituationen. Er sei "eine sehr starke Stimme für internationale Solidarität" und mache in seinen Worten, "aber mehr noch in seinen Taten" etwas vom Kern des Evangeliums sichtbar. Landau verwies auf den Appell des Papstes, "Menschen auf der Flucht zuallererst als Menschen zu behandeln, die Erfordernisse globaler Gerechtigkeit nicht aus den Augen zu verlieren; seine kritische Frage, wie wir unser wirtschaftliches Zusammenleben gestalten wollen: Ist es gerecht, wenn ein Prozent der Bevölkerung mehr hat als 99 Prozent?" All das seien Themen, die enorm wichtig für die Zukunftsfähigkeit der Welt sind, unterstrich Landau.
Quelle: kathpress