Auch Kirchenvertreter protestieren
In Salzburg formiert sich Widerstand gegen die jüngst angekündigte Ausweitung der Bettelverbotszonen - gerade auch kirchlicherseits: An einer Protestkundgebung am Mittwochnachmittag soll laut dem für seinen Einsatz für slowakische Roma bekannten Grazer Armenpfarrer Wolfgang Pucher, der das Wort ergreifen wird, auch Erzbischof Franz Lackner teilnehmen. Die Caritas der Erzdiözese, die bei der Protestveranstaltung vertreten durch Direktor Johannes Dines vertreten ist, kritisierte die von SPÖ, ÖVP und FPÖ beschlossene Maßnahme scharf.
Für kirchlichen Unmut sorgte auch die Ankündigung, dass die Stadt 50.000 Euro in einen Wachdienst investieren will, der die Einhaltung der Verbotszonen kontrolliert. Das Geld sei in der Sozialarbeit besser aufgehoben, betonte Dines. "Der aufsuchenden Sozialarbeit ist es auch zu verdanken, dass sich das Bettelverbot so gut herumgesprochen hat. Von selber ist das nicht gegangen, wie oft fälschlicherweise behauptet wird", sagte der Caritas-Direktor zuletzt in den "Salzburger Nachrichten" (SN).
Auch Pfarrer Pucher stieß sich via Facebook an dem Umstand, dass jede Nacht Arme, die unter Brücken oder in Abbruchhäusern schlafen, vertrieben würden und die Stadt Salzburg "für diesen Akt brutaler Unmenschlichkeit" so viel Geld ausgebe. "Salzburg ist eine Kulturmetropole, die langsam ihr Herz verliert", bedauerte Pucher. "Unter dem äußeren Glanz stirbt die Menschlichkeit."
Verschiedene Hilfsorganisationen - darunter die Caritas - hatten angekündigt, am Mittwoch vor dem Salzburger Rathaus ein Zeichen zu setzen, um auf ihren Unmut über die Maßnahme aufmerksam zu machen. Derzeit ist das Betteln an dieser Stelle noch erlaubt. Hinkünftig soll fast die gesamte Salzburger Altstadt von 8 Uhr bis 19 Uhr zur Tabuzone für Bettler werden.
Vor einem Jahr hat die Stadt Salzburg ein sektorales Bettelverbot eingeführt. Nun zeigt sich laut einem Amtsbericht aus dem Ressort von ÖVP-Vizebürgermeister Harald Preuner, dass das Bettelverbot zwar gut eingehalten werde, sich die Bettler aber andere Straßen und Plätze suchen würden, berichteten die SN. Dem will die ÖVP mit einer Ausweitung der Zonen entgegentreten - mit den Stimmen von SPÖ und FPÖ im Stadtsenat, wie es hieß.
"Wenn das Verbot tatsächlich eine so große Wirkung erzielt hat, wieso muss man es dann erweitern?", fragte Dines laut dem SN-Bericht. Er plädierte für soziale Maßnahmen, um der Bettlerproblematik Herr zu werden. "Die größten Probleme gibt es in Zusammenhang mit den Schlafstätten im öffentlichen Raum der Nacht. Hier haben auch die ordnungspolitischen Maßnahmen nichts gebracht." Grundsätzlich hielt Dines fest, dass Menschen das Recht hätten, um Hilfe zu bitten.
Wann ist Betteln "aggressiv"?
NGOs wie die Caritas machten auch schon mehrfach darauf aufmerksam, dass die Definition von "aggressivem Betteln" im Salzburger Sicherheitsgesetz viel zu schwammig formuliert sei. Durch eine aktuelle Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes sehen sich die Organisationen in ihrer Kritik bestätigt. Sozialarbeiterin Alina Kugler vom Verein Phurdo erklärte den SN, wie es zu der Entscheidung kam: Im März 2015 waren vier Bettlerinnen wegen "aggressiven Bettelns" von der Polizei gestraft worden. Sie saßen in der Getreidegasse und sagten "Bitte, bitte" und "Alles Gute", schilderte Kugler. Die Polizei hielt das für gesetzeswidrig - das Gericht sah das jedoch anders. "Das aggressive Betteln ist zwar im Landessicherheitsgesetz untersagt, man darf aber auf seine Situation aufmerksam machen", erklärte Kugler. Noch drei weitere Entscheidungen in ähnlichen Fällen seien zu erwarten.
Pfarre Wolfgang Pucher rief seine beträchtliche Freundes-Community in den Social Media zum Protest gegen die Salzburger Bettelpolitik auf: "Bitte kommt und zeigt Euch mit den ärmsten Menschen Europas solidarisch!", lud er auf Facebook zur Kundgebung am Mittwoch um 17 Uhr auf dem Alten Markt.
Die von Pucher gegründete Vinzenzgemeinschaft in Graz bemühe sich nach anfänglichen heftigen Widerständen, allen Roma, die als Bettler in die steirische Landeshauptstadt kommen - derzeit ca. 100 Personen - Quartiere und Essen sowie Rechtsschutz zu bieten, informierte der Pfarrer. "Es gibt kaum noch Beschwerden. Warum ist das in der reichen Stadt Salzburg nicht möglich?" Die Vinzenzgemeinschaft sei bereit, "auch in Salzburg an einer menschlichen Lösung der Bettlerprobematik mitzuwirken", bot Pucher Mithilfe an.
Quelle: kathpress