Für ein Österreich, in dem "die Anderen auch ihren Platz haben"
Echtes Mitleid mit Flüchtlingen und echtes Interesse für jene, die bei der Bundespräsidentenwahl den je anderen Kandidaten gewählt haben. - Das hat Kardinal Christoph Schönborn in seiner Fronleichnamspredigt am Donnerstag in Wien eingemahnt. Es geht nach Ansicht des Wiener Erzbischofs nach der Wahl nicht so sehr um das vielfach geforderte "Zuschütten von Gräben", sondern darum, "die Anderen in ihrer Andersheit wahrzunehmen und auf sie zuzugehen". Die derzeit im Land so stark spürbare "Selbstbezogenheit, an der wir kranken und die für unser Land eine Gefahr ist", müsse überwunden werden, betonte der Kardinal. Österreich stehe vor der Wahl, ob es noch ein Land sein wolle, "wo die Anderen auch ihren Platz haben".
Der Kardinal rief die Österreicher auf, jenen 50 Prozent genau zuzuhören, die den jeweils anderen Hofbug-Kandidaten gewählt hatten. Es gelte, deren Beweggründe und Sorgen ernst zu nehmen. "Das kann dem Land helfen, nicht Gräben zuzuschütten, sondern den Anderen zu achten", so Schönborn wörtlich.
Er ging in seiner Predigt auch auf den im Wahlkampf viel strapazierten Begriff der "Heimat" ein. Natürlich dürfe man die eigene Heimat lieben, für Christen sei die eigentliche Heimat freilich im Himmel bei Gott, "und deshalb muss es möglich sein, auch mit Fremden zusammenzuleben und unsere Heimat mit jenen zu teilen, die ihre Heimat verloren haben". Eine christliche Gemeinschaft müsse immer auch eine solidarische Gemeinschaft sein.
Scharf kritisierte der Wiener Erzbischof Tendenzen, das Leid der Flüchtlinge zu verdrängen. "Hauptsache, sie leiden nicht mehr vor unserer Haustür, damit wir es nicht sehen müssen", brachte der Kardinal diese Stimmung auf den Punkt. Dazu habe aber niemand das Recht. Hinsichtlich der Flüchtlingsfrage gehe es nicht darum, "das Problem zu lösen, das wir mit den Flüchtlingen haben, sondern darum, das Problem zu lösen, das die Flüchtlinge haben".
Jeder im Land sollte zumindest einem Flüchtling persönlich zuhören und dessen Schicksal erfahren. Das Zuhören sei ein wesentlicher Teil gelingender Integration, so der Kardinal: "Wir können nicht alle Probleme löse, aber es tut gut zu wissen, dass die Probleme lösbar sind."
Am Fronleichnamsgottesdienst im Stephansdom und der traditionellen Fronleichnamsprozession durch die Wiener Innenstadt nahmen u.a. auch der Apostolische Nuntius Erzbischof Peter Stefan Zurbriggen und der designierte Nuntius in Weißrussland, Erzbischof Gabor Pinter teil. Von Seiten der Politik nahm u.a. Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz teil.
Quelle: kathpress