Angst fordert Gesellschaft heraus
Zum solidarischen Einsatz in Österreich wie weltweit hat der steirische Bischof Wilhelm Krautwaschl in seiner Fronleichnamspredigt aufgerufen. "Angst hat sich breit gemacht, die unter anderem das Miteinander unserer Gesellschaft mit Vehemenz herausfordert", so Krautwaschl wörtlich. In einer Gesellschaft, "in der Gräben und Polarisierungen immer wieder aufbrechen werden", wüssten sich die Katholiken um Jesus Christus versammelt: "Wir bringen ihn in eine Gesellschaft, in der die Schere zwischen Arm und Reich immer größer wird, in der es große Sorgen um Arbeitsplätze, um die Zukunft des Landes gibt."
Durch Katastrophen, Hunger, Terror, Krieg und Klimaveränderung seien Menschen gezwungen, ihre Heimat zu verlassen, "um dort anzuklopfen, wo genug, mehr als genug vorhanden ist", so der Bischof. Und er stellte die Frage in den Raum: "Sind wir bereit zu teilen? Tun wir genug für das Leid, das sich auch bei uns abspielt?" Christus selbst stelle diese Frage an die Christen im Land.
Krautwaschl ging in seiner Predigt auch auf die bedrängten und verfolgten Christen im Nahen Osten ein und rief zur Solidarität auf. Wörtlich sagte der Bischof: "Wir können nicht als steirische, wir können nicht als österreichische, wir können nicht als Christen in Europa, das sich rühmt, vielfach aus christlichen Wurzeln gewachsen zu sein, schweigen und zuschauen, wie es unseren Brüdern und Schwestern weltweit, besonders im Osten, ergeht."
Steirische "Fronleichnamsakademie"
Am Abend vor dem Fronleichnamstag nahm der Bischof an der traditionellen "Fronleichnamsakademie" in Graz teil, zu der die Katholische Aktion Steiermark gemeinsam mit der Industriellenvereinigung Steiermark und dem Forum Technik und Gesellschaft der Technischen Universität geladen hatten. "Ängste haben wir alle", stellte dabei der Pastoraltheologe Prof. Paul Zulehner in seinem Vortrag fest. Die Ängste heutiger Menschen ließen sich nach Umfrageergebnissen in soziale Abstiegsängste, biografische Verlustängste, die Angst, zu kurz zu kommen, und diffuse Ängste zusammenfassen.
Zulehner zitierte die Schweizer Psychologin und Psychotherapeutin Monika Renz, die von einer Grundangst ausgeht, die es lebenslang durch Erlernen von Vertrauen in Balance zu halten gelte. Wichtig sei dabei vor allem, dass Kinder die Möglichkeit hätten, Vertrauen zu erlernen. Sei dies nicht gegeben, falle der Mensch in Selbstsicherungsstrategien zurück: Gewalt, Gier und Lüge.
Zulehner wies weiters auch auf den französischen Politologen Dominique Moïsis hin, nach dem Asien eine Region der Hoffnung, der arabische Raum eine Region der Erniedrigung und Europa und Amerika eine Region der Angst seien. Diese Kultur der Angst treffe neben den biografischen Ängsten zudem auf eine "Politik der Angst". "Der Satz 'man müsse die Ängste der Menschen ernst nehmen' kann auch heißen, dass Angst bewirtschaftet, genutzt wird", meinte Zulehner. Die Angst über den Machtverlust habe bürgerliche Parteien dazu bewogen, ihre "Politik des Vertrauens" aufzugeben.
Er hoffe inständig auf die Auferstehung der politischen Mitte und eine neue "Politik des Vertrauens", so der Theologe. Dazu müsse die Politik beispielsweise vehement auf einen Waffenstillstand in Syrien drängen, Waffengeschäfte verhindern, die Aufnahme von Flüchtlingen ordnen, eine breite Bildungsoffensive starten und Begegnungen und das gemeinsame Feiern mit Flüchtlingen ermöglichen, um ihre Geschichten zu hören.
Quelle: kathpress