Kirchliche Wahlempfehlungen befeuern innerkirchliche Debatte
Für die katholische Kirche in Österreich ist es ein äußerst ungewöhnliches Verhalten: Kurz vor der Stichwahl um das Bundespräsidentenamt an diesem Sonntag mehren sich konkrete Wahlempfehlungen. Nachdem sich Mitte der Woche zunächst die Katholische Frauenbewegung (kfbö) für Alexander Van der Bellen (Grüne) ausgesprochen hatte, empfahl nun der Salzburger Weihbischof Andreas Laun die Wahl des FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer.
Für den Wiener Erzbischof und Bischofskonferenz-Vorsitzenden, Kardinal Christoph Schönborn, ging das deutlich zu weit: In einer prompten Stellungnahme bekräftigte er am Donnerstag erneut, dass die katholische Kirche in Österreich keine Wahlempfehlungen für bestimmte Kandidaten abgebe. Dies gelte sowohl für die am Sonntag anstehende Bundespräsidentenwahl wie auch für alle anderen Wahlen. "Jeder hat das Recht, eine Wahlempfehlung abzugeben, auch ein Bischof", so Schönborn.
Trotzdem habe die katholische Kirche in der Vergangenheit bewusst auf Wahlempfehlungen verzichtet. Die Erfahrung habe gezeigt, dass dies sinnvoll sei, auch - "oder gerade besonders - bei der Bundespräsidentenwahl 2016, an deren Stichwahl das erste Mal in der Geschichte der Zweiten Republik kein katholischer Kandidat teilnimmt". Als ÖBK-Vorsitzender wolle er angesichts verschiedener Stellungnahmen aus den vergangenen Tagen und insbesondere mit Blick auf Launs Äußerung darauf hinweisen, "dass es auch diesmal keine Wahlempfehlung der katholischen Kirche als solcher gibt und auch nicht geben wird".
Nach bestem Wissen und Gewissen
Erst vor einer Woche hatte der Wiener Kardinal Christoph Schönborn im Interview der "Kleinen Zeitung" betont, es sei in Österreich gute Tradition, dass die Kirche keine Position für Parteien beziehe. "Es ist Gott sei Dank seit Jahrzehnten üblich, dass die Bischöfe keine Wahlempfehlungen geben, weil sie darauf vertrauen, dass die Katholikinnen und Katholiken in unserem Land nach ihrem besten Wissen und Gewissen entscheiden", so der Wiener Erzbischof. Daran hielten sich bislang auch alle Bischöfe.
"So, wie das Angebot jetzt ist, kann man nur Hofer wählen und beten für ihn und für Österreich", schrieb Laun nun in einem Gastbeitrag für das Portal "Kath.net" (Donnerstag). Van der Bellen stehe "in allen heiklen und gefährlichen Fragen, vom Lebensschutz über die Gottesfrage bis Gender auf der falschen Seite". Was man von Hofer höre, sei hingegen "vernünftig und in Ordnung", so der Weihbischof. Die Worte des FPÖ-Kandidaten gäben "Zuversicht, dass er das Naturrecht achtet (...) und dass er, durch sein Gewissen vermittelt, Gott in den wesentlichen Punkten gehorchen wird". Gleichzeitig beklagte sich Laun über die Katholische Frauenbewegung, die "Werbung" für Van der Bellen mache.
Diese hatte sich am Mittwoch dezidiert für den Grünen-Kandidaten ausgesprochen. Zuvor hatte die FPÖ-Frauensprecherin Carmen Schimanek den Medien fälschlich mitgeteilt, die kfbö habe eine Wahlempfehlung für Hofer abgegeben. Schimanek widerrief ihre Aussage auch nicht, nachdem die katholische Frauenorganisation diese für unrichtig erklärt hatte.
Kirchliche Wahlaufrufe ohne Empfehlung
Weitere kirchliche Laienorganisationen forderten darüber hinaus zur Teilnahme an der Wahl auf - jedoch meist ohne eine konkrete Wahlempfehlung. Auch Kardinal Schönborn hatte in seinem Interview lediglich betont, beide Kandidaten für die Hofburg kämen aus politischen Richtungen, die in manchen Aspekten "ein gewisses Naheverhältnis zum Christentum" hätten; bei anderen Punkten gebe es "eher kritische Distanz".
Konkreter wurden österreichische Theologen. So warnten etwa Paul Zulehner und Regina Polak jüngst vor einer europafeindlichen Abschottungspolitik und einem erstarkenden Rechtspopulismus. Ähnlich äußerte sich der Wiener Dogmatiker Jan Heiner Tück. Die politische Mitte in Österreich sei "massiv eingebrochen", kritisierte er auf der Feuilleton-Seite "feinschwarz.net". Die Wähler müssten sich "erstmals zwischen einem grünen und einem blauen, will sagen: rechtspopulistischen, Präsidentschaftskandidaten entscheiden".
Österreich stehe vor einem Scheideweg, bei dem es darum gehe, "ob Brücken der Verständigung gebaut (...) - oder an den Grenzen höhere Zäune errichtet und der Ausstieg aus dem gemeinsamen Projekt Europa betrieben wird".
Entscheidungskriterien zur Wahl legte der Innsbrucker Theologe Willibald Sandler im Internetforum seiner Fakultät vor. Manche Christen meinten, vor einer "Wahl zwischen Pest und Cholera" zu stehen, denn nach christlichen Wertmaßstäben erscheine der FPÖ-Kandidat Hofer wegen der Flüchtlingsfrage, Nationalismus und Rechtspopulismus unwählbar, sein Widerpart Van der Bellen wegen Ehe, Familie und Lebensschutz. Seine beunruhigende Auflistung entschärft Sandler jedoch wenige Zeilen später: Es sei zu bedenken, so der Theologe, dass die politischen Handlungsmöglichkeiten für einen Bundespräsidenten verfassungsmäßig ohnehin sehr begrenzt seien.
Quelle: Kathpress