Pfingsten ist auch Sinnbild für Vielfalt in Europa
Zu Pfingsten feiert die Kirche die Sendung des Heiligen Geistes, unter dessen Einfluss die Menschen in all ihrer Vielfalt dennoch wie mit einer Stimme sprachen: Dieses pfingstliche Bild der Einheit in der Vielfalt lasse sich letztlich auch auf die Flüchtlings- und Integrationsfrage anwenden, insofern Europa durch die Flüchtlinge bunter werde und nun nach einem neuen Verständnis seiner Einheit suchen müsse. Das hat der Rektor der Katholischen Privatuniversität Linz, Franz Josef Gruber, im "Kurier"-Interview (Online-Ausgabe, Sonntag) unterstrichen. "Eine Gesellschaft steht immer vor dem Problem, wie schafft sie Einheit? Und was tut sie mit der Vielheit, die die Einheit auflöst?" Insofern gebe es unter dem Eindruck der Flüchtlingskrise ein "Ringen und einen Streit darüber, was ist Europa?"
Eine Position etwa sehe Europa als "genauso global geworden wie andere Teile der Welt" - dies bedeute, dass Europa sich nicht durch Ethnien definieren lasse, sondern durch ein darüber stehendes Konzept: "Ein Europa, wo Menschen ohne Verfolgung leben können. Wenn die Menschen sich hier integrieren und die Werte wie Religionsfreiheit annehmen". Dazu zähle auch, dass es der Entwicklung eines europäischen Islam bedarf, so Gruber weiter, denn das Szenario eines muslimischen Europa, wie es manchmal wie ein Drohszenario skizziert wird, sei unrealistisch: "Unsere Gesellschaft wird nie muslimisch geprägt sein. Wir haben weder eine muslimische Prägung noch eine muslimische Geschichte. Ein Islam in Europa wird wirklich ein europäischer Islam sein. Sonst müsste man sich eine Gesellschaft vorstellen, in der die Religionsfreiheit und die Trennung von Kirche und Staat aufgehoben werden müssten."
Dennoch sei gerade im Blick auf die notwendige Integration Wachsamkeit geboten: "Man muss wachsam sein, es regelt sich nicht von selbst. Integration passiert nicht von selbst. Integration ist intensive Arbeit für beide Seiten. Die österreichische bzw. europäische Kultur muss sich öffnen für andere. Gleichzeitig müssen sich die Flüchtlinge in eine europäische Welt einfinden können." Diese Frage einer gelingenden Integration müsse zugleich von der akuten Flüchtlingshilfe-Frage entkoppelt werden: Schließlich gehe es bei der akuten Hilfe "nicht darum, ob Europa muslimisch werden soll", sondern um eine "humanitäre Herausforderung" insgesamt: "Die Frage ist nicht, ob der Flüchtling muslimisch ist, sondern ob er in Lebensgefahr ist". Dies sei zugleich "urchristlich", so Gruber unter Verweis auf das Beispiel des barmherzigen Samariters.
Aufklärung: "ein Stück weit Pfingsten"
Die Aufklärung und die aus ihr hervorgegangene Definition der Menschenrechte bezeichnete Gruber als "ein Stück weit Pfingsten". Schließlich habe es - Stichwort: Religionskriege - einen "neuen Grundkonsens" über die Religion hinaus gebraucht, der in der Menschenwürde und den Menschenrechten gefunden wurde, führte der Rektor weiter aus.
Papst Franziskus sieht Gruber "im Grunde sehr positiv", da er aufzeige, "wie die Kirche in die Zukunft gehen muss". Zwar gehe er nicht davon aus, dass der Papst "strukturell" viel verändern werde - "dazu ist er zu alt und die Herausforderungen sind zu groß" -, seine Stärke sei jedoch die "Solidarität mit den zu kurz Gekommenen" und mit all jenen, "die in der Weltöffentlichkeit keine Resonanz haben" - damit orientiere er die Kirche weg von einer Einkapselung in sich selbst und hin zu einer neuen Offenheit für die Welt.
Quelle: kathpress