Besser Kontrolle als Infragestellung des Asylrechts
Angesichts der aktuellen terroristischen Bedrohung ist für westliche Staaten mit ihren freiheitlichen Demokratien "eine relativ genaue Kontrolle der Zuwanderung besser als eine grundsätzliche Infragestellung des Asylrechts". Zu diesem Urteil kommt der Linzer Bischof Manfred Scheuer in seinem Eröffnungsvortrag bei den Reichersberger Pfingstgesprächen am Pfingstmontag. Gleichzeitig warnte der Bischof vor einem überzogenen Sicherheitsbedürfnis: "Sicherheit ist nicht durch totale Kontrolle, nicht durch Aufrüstung und auch nicht durch Unterwerfung anderer zu erreichen." Vielmehr brauche es eine gelungene Integration. Sie zeige sich u.a. im Anerkennen des Anders-Seins des anderen und in einem weiten Verständnis von Religionsfreiheit.
Die aktuelle Flüchtlingssituation sei für Europa eine besondere Herausforderung im Umgang mit den legitimen Bedürfnissen nach Freiheit und Sicherheit. Aus Sicht der Flüchtlinge bringe die Flucht nach Mitteleuropa "Freiheit und Sicherheit". Aus Sicht der "Einheimischen" werde dies aber "ambivalent" wahrgenommen, weil nicht wenige gerade Sicherheit und Freiheit dadaurch gefährdet sähen. Vor diesem Hintergrund bekräftigte der Bischof "die legitime Aufgabe demokratischer politischer Gemeinwesen, über die Zusammensetzung der Bevölkerung zu entscheiden." Dies müsse sich jedoch mit dem Menschenrecht auf Asyl in Einklang gebracht werden. Dafür brauche es transparente und faire Rechtsverfahren sowie "eine relativ genaue Kontrolle der Zuwanderung".
Es könne kein Zweifel daran bestehen, dass in Zeiten der Bedrohung durch Terrorismus bestimmte sicherheitspolitische Notwendigkeiten bestehen: "Es wäre politisch verantwortungslos, nicht mit polizeilichen und geheimdienstlichen Mitteln auf die Bedrohung zu reagieren, um Menschen vor Terrorismus zu schützen," so der Bischof. Das legitime Sicherheitsbedürfnis angesichts des Terrorismus dürfe aber nicht gegen das Asylrecht ausgespielt werden: "Menschen genießen das Recht, um Asyl anzusuchen, weil sie als politisch Verfolgte nach Freiheit und Sicherheit in stabilen Demokratien suchen. Insofern stellt die Frage der Gestaltung des Asylrechts gegenwärtig eine Bewährungsprobe für unsere freiheitliche Demokratie dar."
Sicherheit durch Integration
Im Blick auf die schon hier lebenden Flüchtlinge plädierte der Bischof für eine gelungene Integration, die letztlich der Stabilität und Sicherheit der Gesellschaft zu Gute komme. Dafür brauche es Zugang zu Erwerbsarbeit, Bildung und sozialen Dienstleistungen. Darüber hinaus plädierte der Bischof für mehr soziale Wertschätzung des "Anders-Seins" von Menschen mit anderen kulturellen religiösen Traditionen.
Ein Schlüssel bei der Integration könne die Erfahrung einer positiv gewährten und gelebten Religionsfreiheit gerade auch für Flüchtlinge aus islamischen Ländern sein. Nämlich dann, wenn der säkulare Staat in einer gewissen Weise zur religiösen Heimat wird, weil er Spielräume der Religionsausübung garantiere. "Deshalb sollten wir auch überlegen, ob nicht weite Freiheitsspielräume für muslimische Menschen eine noch breitere konstruktive Mitwirkung von Muslimen in unserer Gesellschaft und in unserer Politik bewirken können, und ob letztlich die Anerkennung religiöser Minderheitenrechte nicht auch den Sicherheitsinteressen der Bevölkerung insgesamt dient", gab Scheuer zu bedenken.
Die diesjährigen 20. Reichersberger Pfingstgespräche sind vom 16. bis 17. Mai im gleichnamigen oberösterreichischen Chorherrenstift dem Spannungsfeld "Freiheit versus Sicherheit" gewidmet. Neben dem Linzer Bischof Scheuer referieren der oberösterreichische Landeshauptmann Josef Pühringer und der Wiener Pastoraltheologe Paul Zulehner. Weitere Beiträge kommen vom stellvertretenden OÖ-Landeshauptmann Thomas Stelzer, der deutschen Ex-Politikerin (Grüne und Piratenpartei) und Unternehmensberaterin Anke Domscheit-Berg sowie von Bernhard Treibenreif, Chef der Polizei-Spezialeinheit Cobra.
Quelle: kathpress