Zulehner hofft auf "pfingstliches Wunder"
Österreich würde vor der Bundespräsidenten-Stichwahl am 22. Mai ein "pfingstliches Wunder" guttun. "Dieses könnte die Angst kleiner und damit die engagierte Solidarität wieder größer machen", meinte der Wiener Pastoraltheologe Paul M. Zulehner im Gespräch mit "Kathpress" in Erinnerung an den biblischen Bericht vom "Sprachwunder" zu Pfingsten, das Verständnisbarrieren überwand. Er hofft auf einen Präsidenten, "der versöhnend Brücken baut zwischen der polarisierten Bevölkerung, zwischen den Menschen unterschiedlicher Kulturen und Religionen, der also einer Politik der Angst entschlossen abschwört und für eine Politik des Vertrauens steht, die keine nationalistischen Tendenzen unterstützt".
Noch vor der Finanzkrise 2008 habe Europa einem "Kontinent der Hoffnung" geglichen. Laut Zulehner hat sich seither aber eine "Kultur der Angst" schleichend ausgebreitet, die durch politisches Kalkül noch verstärkt werde und entsolidarisiere. Symptome dafür seien der neue Nationalismus und populistische, freiheitsmindernde Tendenzen. Gewalt nehme dramatisch zu - aber nicht jene durch die angekommenen Flüchtlinge, sondern eine gegen diese gerichtete.
Vor diesem Hintergrund hofft der Pastoraltheologe auf einen Präsidenten, der "Europas Einung fördert und sich nicht nur innereuropäisch für eine Balance zwischen Würde, Freiheit und Gerechtigkeit einsetzt, sondern dies auch bei seinen Reisen durch die Welt verfolgt und die Werte, die Europa groß gemacht haben, nach China, Afrika, Indonesien oder auch in die Ukraine mitnimmt".
"Die Welt ist gar nicht so schlecht"
Trotz aller Krisensymptome sieht Zulehner den "Geist Gottes längst auf der Reise". Die Welt sei nicht so schlecht, "wie wir Katholiken sie manchmal gerne hätten". Es geschehe viel Gutes, in den Vereinten Nationen, in den Büros der Europäischen Kommission, in den Regierungen der einzelnen Länder und auch in den vielen Parteien Europas, "rechts und links und in der ratlosen Mitte". Es gebe auch viele engagierte, gute Menschen, "die manche ätzend als Gutmenschen abtun". Zulehner wies darauf hin, dass in den Hilfswerken und Gemeinden der Kirche eine Willkommenskultur gepflegt werde, "die nötig ist, sollen jene mit Herz, Verstand und Know-how integriert werden, die Asyl zugesprochen bekommen haben".
Diese gastfreundliche Willkommenskultur dürfe "im Strudel einer ironisierenden Sprachunkultur" nicht beschädigt werden, appellierte Zulehner. "Nur wenn das Land viele von jenen Menschen hat, in denen sich ein gastfreundliches Willkommen zu einer Haltung festigt, bleibt uns jene hohe Kultur erhalten, die uns in der Vergangenheit ausgezeichnet hat."
Von der Kirche wünsche er sich, Ängste zu heilen, so der Theologe. Könnte die Kirche die Menschen "aus der Angstecke" befreien, wäre dies auch ein "Sieg für Europa". Politiker wiederum gelte es zu ermutigen, "nicht populistisch auf eine Politik der Angst, sondern staatsmännisch auf eine Politik des Vertrauens zu setzen".
Quelle: kathpress