"Kirche besser als ihr Ruf bei manchen Menschen"
Laut dem Wiener Pastoraltheologen Paul M. Zulehner ist die Kirche besser als ihr Ruf bei manchen Menschen. Im Blick auf innerkirchliche Strukturen hinke sie der Zeit zwar hinterher, "aber was wäre unser Land ohne den Einsatz vieler kirchlicher Einrichtungen, Klöster, Pfarrgemeinden etwa bei der Integration und Unterbringung von Flüchtlingen?". Dort sei der "pfingstliche Geist-Atem" zu spüren, so Zulehner im Gespräch mit "Kathpress" im Vorfeld des Pfingstfestes.
Derzeit hole die Kirche mit "unserem Überraschungspapst" merkbar auf. Franziskus habe mit dem Dokument "Amoris laetitia" ein solches Tempo vorgelegt, "dass manchen Konservativen schon richtig bange ist". Das päpstliche Schreiben ist für den Pastoraltheologen eine klare pastorale Wende vom Gesetz zum Gesicht, von den Ideologen zu den Hirten, vom Gerichtssaal zum Feldlazarett, von einer moralisierenden zu einer heilenden Pastoral.
Handlungsbedarf sieht Zulehner beim Verständnis des Priesteramtes. Es sei ein "himmelschreiendes Unrecht der Kirchenleitung an den gläubigen Gemeinden, sie eucharistisch auszutrocknen". Eine "tiefe Wunde" hat laut Zulehner auch der Ausschluss der Frauen vom Priesteramt geschlagen, "obwohl gar nicht wenige gläubige Frauen erzählen, dass sie sich einer Berufung zum Amt sicher sind". Das werfe die Frage auf: "Täuschen sich da diese gläubigen Frauen oder vielmehr eine gegen den Heiligen Geist resistente Kirchenleitung?" Zulehner wünscht sich eine Priestersynode, die diese Probleme anspricht.
Trotzdem zeichnet der Pastoraltheologe ein hoffnungsvolles Bild der künftigen Kirche, die von Gottes Geist gezielt umgestaltet werde. "Einerseits wird es starke lokale Glutkerne geben, die aus der Feier der Eucharistie leben und helfende Liebe im Nahbereich leben. Zugleich werden sich regional Engagierte aus diesen Glutkernen zu pastoralen Projekten zusammentun, bei denen es darum geht, das Evangelium kundig in die Entwicklung des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens einzuweben, durch Caritas, Bildung, Kunst und Kultur."
Weniger Quantität, mehr Qualität
Zulehner sagt eine schlankere, quantitativ kleinere und dafür qualitativ stärkere Kirche voraus, die "Licht der Welt" und "Heilssalz der Erde" sein werde. "Licht, weil an ihrem Leben alle ablesen können, was Gott mit allen im Sinn hat - nämlich Vollendung in der Liebe. Und sie wird wie heilendes Salz sein, das von den Wunden der Angst heilt, aus der Gewalt, Gier und Lüge entspringen, und die uns hindert zu werden, was wir als Ebenbilder Gottes sind: Liebende."
Die drängendsten Themen in der Kirche sieht Zulehner dort, "wo Menschen in ihrem alltäglichen Leben umgetrieben werden". In Europa seien das die vielen arbeitslosen jungen Menschen, der vom sozialen Abstieg bedrohte Mittelstand, die Einsamkeit so vieler Alter, die Überforderung von Familien, die daheim Menschen mit Behinderung mittragen und kranke Angehörige pflegen. Es seien aber auch jene Menschen, die durch Krieg und Hoffnungslosigkeit auf der Flucht sind. Die Kirche werde sich nicht von ihrer Zuversicht abbringen lassen, dass in jedem Menschen ein guter Kern steckt, zeigte sich der Theologe optimistisch.
Quelle: kathpress