"Keine Krisenzeit, sondern Rückkehr zum Normalfall"
Ein Blick in die Geschichte relativiert die vermeintliche Krise der Frauenorden: "Wir leben nicht in einer außergewöhnlichen Krisenzeit des Ordensstandes, sondern in einer Ausnahmesituation auf dem Rückweg zum Normalfall", so die These der Historikerin und Referentin für Kulturgüter der Ordensgemeinschaften, Helga Penz. Den stetigen Rückgang der Mitgliederzahl sieht die Archivarin im Zusammenhang mit der vermehrten Gründung von Ordensgemeinschaften zwischen 1830 und 1930, die die Mitgliederzahl nach so stark oben schnellen habe lassen, "dass sie unweigerlich wieder tiefer fallen musste". Penz sprach im Rahmen der Feierlichkeiten zum 50-Jahr-Jubiläum der "Vereinigung der Frauenorden Österreichs" (VFÖ) am Freitag in Innsbruck.
Vor dem genannten geschichtlichen Hintergrund bestehe kein Grund zu Pessimismus: Es werde immer Orden geben, zeigte sich Penz gegenüber "Kathpress" überzeugt. Die durchschnittliche Mitgliederzahl der Frauenorden in Österreich habe vor dem 20. Jahrhundert nie mehr als 700 Ordensfrauen betragen. Die aktuelle Altersstruktur lässt die Historikerin einen ähnlichen Personalstand in 20 Jahren prognostizieren, dann allerdings wohl in einem neue Erscheinungsbild: "Die Orden erfinden sich jedes Jahrhundert selbst - und sie erfinden sich auch gerade jetzt wieder neu", so Penz.
Die Phase der Neufindung habe bereits vor dem II. Vatikanum unter dem Stichwort "zeitgemäße Erneuerung" begonnen. Für die Frauenorden sei damit auch ein Stück weit die Emanzipation von der männlich dominierten Kirche verbunden gewesen. Als Beispiel nannte Penz eine 1965 von einer Ordensfrau vorgenommene Ausstellungseröffnung, ein Umstand, der damals für Aufsehen sorgte. "Wenn wir sehen, wo wir heute sind, dann muss man sagen, es ist relativ schnell gegangen. Was damals noch unmöglich war, ist jetzt möglich."
Heute zeigten die Ordensfrauen größeres Selbstbewusstsein und die Fähigkeit, auch Abschied zu nehmen, denn manche Ordensgemeinschaft werde erlöschen, sagte die Historikerin nüchtern. Gewichen sei die Scheu vor ordensübergreifender Zusammenarbeit und übermäßige Abschottung. Einen "unglaublichen Elan", Neues anzugehen, ortet Penz gerade bei jüngeren Schwestern.
Auch das Verhältnis zu den Männerorden habe sich verändert. Der Emanzipationsprozess der Schwestern habe phasenweise zur Trennung geführt. "Heute sind sie dabei, wieder zusammenzuwachsen, und zwar auf Augenhöhe. Waren es vorher die Männer, die die Frauen vertreten und Leadership übernommen haben, funktioniert es jetzt auf Augenhöhe."
VFÖ 1966 kanonisch errichtet
Die "Vereinigung der Frauenorden Österreichs" wurde als Zusammenschluss der höheren Oberinnen der österreichischen Frauenorden im Jahr 1966 von der in Rom zuständigen Religiosenkongregation kanonisch errichtet. Damit kommt der Vereinigung im staatlichen Bereich die Stellung einer Körperschaft öffentlichen Rechts zu.
Mitglieder der Vereinigung der Frauenorden sind die höheren Oberinnen, Leiterinnen oder Delegierten jener Frauenorden, die wenigstens eine Niederlassung in Österreich haben. Derzeit (2016) sind es 105 Mitglieder. Gemäß den Statuten sind die Mitglieder der Vereinigung in fünf Bereiche gegliedert: Klausurschwestern, Schulschwestern, Krankenschwestern, Schwestern mit karitativer und sozialer Tätigkeit sowie Missionsschwestern.
Die Anfänge reichen zurück bis auf das Jahr 1952. Auf Initiative des Salzburger Erzbischofs Andreas Rohracher, damals Apostolischer Visitator für die Klöster in Österreich, hat ein erstes Treffen der österreichischen Ordensoberinnen in Innsbruck stattgefunden. Diese Jahrestagungen finden bis heute jährlich statt. An der Gründung eines ersten Zusammenschlusses der Ordensoberinnen war der Provinzial der Kamillianer, Robert Svoboda (Provinzial 1946-1950), wesentlich beteiligt. Im Krankenapostolat tätig, unterstützte er die Bemühungen der Caritas Österreich nach einer Vereinigung besonders der caritativ tätigen Frauenorden, die in Österreich der größte private-gemeinnützige Spitalserhalter sind. 1959 wurde eine erste Arbeitsgemeinschaft gegründet.
Die Organe der Vereinigung der Frauenorden sind heute die jährliche Generalversammlung, die alle drei Jahre eine Präsidentin, ihre Stellvertreterin sowie die Leiterinnen der Referate wählt. Diese bilden zusammen mit den Vorsitzenden der diözesanen Regionalkonferenzen das Präsidium, welches wiederum die Generalsekretärin bestellt. In jüngster Zeit wurde die Zusammenarbeit der Frauenorden und der Männerorden intensiviert. Die Generalsekretariate der Vereinigung der Frauenorden und der Superiorenkonferenz der Männerorden haben gemeinsam das "Büro der Ordensgemeinschaften".
In den letzten Jahren hat sich die Struktur der Referate verändert. Das Profil der meisten Frauenorden war zu vielfältig geworden, um den Kategorisierungen noch zu entsprechen. Beispiel: Anstelle eines Referats der Schulschwestern gibt es heute den Bereich Bildung und Ordensschulen, das Frauen- und Männerorden gemeinsam tragen. Gleiches gilt für die Aufgabenbereiche Ordensspitäler, Mission, Ordensentwicklung, Kultur und Dokumentation oder das Medienbüro. Spezielle Referate der Frauenorden sind ordensinterne Ausbildung und die sogenannten "neuen Dienste". Das sind neue soziale oder pastorale Berufsfelder und Initiativen, in denen Ordensfrauen heute tätig sind und in denen oft Schwestern aus mehreren Gemeinschaften zusammenarbeiten.
Quelle: kathpress