"Arbeitslosigkeit wird größte politische Herausforderung"
Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit wird die massivste gesellschaftliche und vor allem auch politische Herausforderung der nächsten Jahre sein. Es brauche deshalb von Seiten der Politik weit mehr Anstrengungen in diesem Bereich. Das hat Caritas-Präsident Michael Landau eingemahnt. Er äußerte sich am Freitag in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Sozial- und Arbeitsminister Alois Stöger bei der Eröffnung der "Jobmeile" der Wiener Caritas und des AMS. Im Rahmen der bereits achten "Jobmeile" in der "carla" am Mittersteig (Wien-Margareten) präsentierten am Freitag die Caritas Wien und andere Trägerorganisationen konkrete Job- und Beratungsangebote für langzeitarbeitslose Frauen und Männer.
In Österreich seien trotz Beschäftigungswachstum prozentuell gesehen so viele Menschen arbeitslos wie zuletzt vor über 60 Jahren, schlug Landau Alarm. 438.654 Menschen (oder 9,4 Prozent) waren im März 2016 in Österreich erwerbslos gemeldet. Den Betroffenen stünden lediglich 36.754 offene Stellen gegenüber.
Arbeitslosigkeit mache "häufig arm und oftmals krank", so Landau. Doch es werde auch immer häufiger, dass Menschen in Arbeit "davon nicht leben können". "Arbeit, von der man leben kann, ist heute keine Selbstverständlichkeit mehr. Und wenn auf 439.000 Menschen ohne Arbeit nur knapp 37.000 offene Stellen kommen, dann ist auch klar: Arbeitsunwilligkeit ist nicht das Thema. Wir haben ein strukturelles Problem am Arbeitsmarkt."
In der gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Sozialminister gab Landau diesem zwei Bitten bzw. politische Forderungen der Caritas mit auf den Weg: Es brauche zum einen die Schaffung eines dauerhaft gestützten Arbeitsmarktes ("Dritter Arbeitsmarkt") für Personen, die aufgrund ihrer Vermittlungshindernisse keine realistischen Chancen haben, wieder am Ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Zweitens fordert die Caritas eine Überarbeitung der für Herbst geplanten Ausbildungspflicht bis 18.
Die Zahl der Menschen, die weder Zugang zum Pensionssystem noch realistische Jobchancen haben, wachse, berichtete der Caritas-Präsident. Deshalb brauche es Unternehmungen und Arbeitsplätze, die auch langfristig vom AMS gefördert werden. "Das Ziel muss lauten, auch in jenen Fällen, bei denen das Wieder-Fuß-Fassen am regulären Arbeitsmarkt wenig chancenreich erscheint, sinnvolle Beschäftigung bei angemessener Entlohnung anbieten zu können."
Zur geplanten Ausbildungspflicht bis 18 meinte Landau, dass diese grundsätzlich sehr zu begrüßen sei. Derzeit liege der Schwerpunkt des geplanten Gesetzes aber nur in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen. "Das ist richtig, aber zu wenig. Unverständlich ist, warum der gesamte Bereich des Schulsystems kaum bis gar nicht mit in die Pflicht genommen wird."
Die Forderung der Caritas: Gerade die präventiven Maßnahmen in Schulen müssten ausgebaut werden. "Es geht um ein Mehr an Schulsozialarbeit, um ein Mehr an Nachmittagsbetreuung und um ein Mehr an leistbarer Lernhilfe wie wir sie als Caritas mit den Lerncafés anbieten." Zudem sollte die Ausbildungspflivcht auch für Asylwerber im Alter von 15 bis 18 gelten.
Stöger: "Schluss mit Sparen"
Arbeits- und Sozialminister Alois Stöger konnte bei der Pressekonferenz von einer deutlichen Erhöhung der Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik berichten. "Für die nächsten Jahre bis 2020 konnten wir zusätzlich 1,5 Milliarden Euro für aktive und aktivierende Arbeitsmarktpolitik sicherstellen", berichtete Stöger über den Bundesfinanzrahmen. So stehe vor allem für ältere Arbeitnehmer/innen, Lehrlinge und die Integration von Schutzberechtigten mehr Geld zur Verfügung.
Stöger sprach sich aber auch deutlich für eine europaweite Kursänderung in Richtung einer stärkeren Investitionspolitik aus. Mit der EU-Sparpolitik müsse endlich Schluss sein, "ansonsten wird es auch weiterhin keine wirkliche Erholung in der Konjunktur und damit auch am Arbeitsmarkt geben können".
"Je länger die Phase der Arbeitslosigkeit dauert, desto schwerer ist es, wieder ins Berufsleben zurückzufinden", sagte die Wiener AMS-Landesgeschäftsführerin Petra Draxl. "Die sozialökonomischen Betriebe sind ein ganz wesentliches Instrument, um Menschen behutsam wieder an das Erwerbsleben heranzuführen. Hier geht es darum, sich wieder an Teamarbeit zu gewöhnen, an einen strukturierten Tagesablauf, aber es geht auch um die Wiedererweckung des Selbstvertrauens, das man für jeden Job braucht." Für sozialökonomische Betriebe, gemeinnützige Beschäftigungsprojekte und Projekte der gemeinnützigen Überlassung stelle das AMS Wien heuer daher mehr als 75 Millionen Euro zur Verfügung, alles in allem erwachsen daraus fast 10.000 Dienstverhältnisse auf dem Zweiten Arbeitsmarkt.
Im Rahmen der Wiener Jugendunterstützung nehme das AMS Wien gemeinsam mit der MA 40 für 200 Transitarbeitsplätze fünf Millionen Euro in die Hand. "Die Projekte starten noch diesen Herbst", sagte Draxl.
Caritas im Einsatz für arbeitslose Menschen
Allein im Jahr 2014 konnte die Caritas 1.245 Arbeitsplätze für langzeitarbeitslose Menschen in 87 Projekten in ganz Österreich anbieten. In Wien ist die Caritas gemeinsam mit dem AMS seit 26 Jahren mit Angeboten am erweiterten Arbeitsmarkt aktiv. Mit Projekten wie dem Restaurant "Inigo" oder der "magdas Kantine" sollen Menschen schrittweise an den Ersten Arbeitsmarkt herangeführt werden.
In Wien hat die Caritas im Vorjahr knapp 1.000 langzeitarbeitslose Personen in verschiedensten Projekten betreut und begleitet. 400 zusätzliche Personen wurden beraten. Die Vermittlungsquote auf den Ersten Arbeitsmarkt lag bei bis zu 40 Prozent.
Quelle: kathpress