Kardinal Koch sieht dringenden Klärungsbedarf in ethischen Fragen
Eine dringenden Klärungsbedarf zwischen den christlichen Kirchen in ethischen Fragen ortet Kurienkardinal Kurt Koch. Bis in die 1990er Jahren habe man die ökumenischen Beziehungen noch auf die Formel gebracht "Glaube trennt, Handeln eint", heute sei es genau umgekehrt, so der Präsident des vatikanischen Einheitsrates: "Heute haben wir in vielen Glaubensfragen eine Einheit gefunden, aber in ethischen und bioethischen Bereichen kommen neue Differenzen auf." Koch äußerte sich im Interview mit der Nachrichtenagentur Kathpress am Rande seines derzeitigen Österreich-Besuchs, der ihn u.a. am Sonntag zu einem Gottesdienst in das Zisterzienserstift Heiligenkreuz und zuvor am Freitag zu einem Symposion ins "International Theological Institute" (ITI) nach Trumau führte.
"Wir müssen diese ethischen Fragen dringend angehen", sagte Koch. Gerade auch in Fragen der Ehe und Familie, der Sexualität oder auch bei Genderfragen gebe es grundlegenden Spannungen und Differenzen zwischen katholischer, orthodoxen und reformatorischen Kirchen, so der vatikanische "Ökumene-Minister". Zugleich gebe es aber auch neue Tendenzen in den evangelischen Kirchen, "wo man sich auf das biblische Bild von Ehe und Familie zurückbesinnt".
Große Erwartungen - "gerade auch für die Ökumene" - setzt der Kardinal auf das Panorthodoxe Konzil im Juni auf Kreta. In den verschiedenen Begegnungen mit orthodoxen Vertretern und den katholisch-orthodoxen Dialogkommissionen habe er immer auch innerhalb der Orthodoxie Spannungen wahrgenommen, "und das ist ein wesentliches Hindernis dafür, dass wir im Dialog weiterkommen". Innerhalb der orthodoxen Kirche gebe es sehr unterschiedliche ökumenische Positionen: "Wenn die Orthodoxen aber unter sich mehr Einheit finden können, dann bin ich davon überzeugt, dass das sehr positiv für die Zukunft des katholisch-orthodoxen Dialoges sein wird."
Auch wenn nicht gleich bei der ersten Vollversammlung nun auf Kreta alle innerorthodoxen Probleme gelöst werden können, sei doch auf eine positive Entwicklung bei den anvisierten Folgetreffen zu rechnen, zeigte sich Koch zuversichtlich.
Beim ökumenischen Symposion des "Neuen Schülerkreises Joseph Ratzinger/Benedikt XVI." in Trumau hatte der Schweizer Kurienkardinal auch zur unterschiedlichen Ehepraxis und -lehre in katholischer und orthodoxer Kirche Stellung genommen. In der orthodoxen Kirche ist eine kirchliche Zweitheirat möglich. Dieser Unterschied sei freilich nicht kirchentrennend, ein ökumenischer Dialog darüber aber dringend nötig, so der Kardinal. Bei der vatikanischen Familiensynode, an der auch orthodoxe Vertreter teilgenommen hatten, sei diese Frage allerdings nicht behandelt worden, räumte Koch ein.
In Trumau hatte auch der Heiligenkreuzer Abt Maximilian Heim das Wort ergriffen und über die ökumenischen Aktivitäten seiner Gemeinschaft berichtet. So unterhalten die Zisterzienser vor allem über ihr Kloster in Stiepel in Deutschland gute Kontakte zu evangelischen ordensähnlichen Gemeinschaften. Weiters hob der Abt den Besuch des orthodoxen Ehrenoberhaupts Patriarch Bartholomaios im Stift im Jahr 2004 hervor sowie die jüngste Geste des Stifts, als die stiftseigene Reliquie des Kreuzes Christi an die griechisch-orthodoxe Dreifaltigkeitskathedrale am Wiener Fleischmarkt verliehen wurde.
Quelle: kathpress