Gewissensfreiheit in Medizin zunehmend ausgehöhlt
Vor einer zunehmenden Einschränkung des Gewissensvorbehaltes in der Medizin warnt das Institut für Medizinische Anthropologie und Bioethik (IMABE). Speziell bei Abtreibung und Sterbehilfe würde das Menschen- und Grundrecht von Ärzten und medizinischem Personal, aus Gewissensgründen die Mitwirkung zu verweigern, immer mehr ausgehöhlt. Dringend müsse man die Grundfrage offen ansprechen und diskutieren, "ob man rechtens davon sprechen kann, ob es sich dabei überhaupt um Heil- und nicht viel eher um Wunschbehandlungen handelt", so IMABE-Geschäftsführerin Susanne Kummer am Dienstag in einer Stellungnahme.
Sogar anerkannte Fachgesellschaften wie die British Medical Association (BMA) würden den in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerten Gewissensvorbehalt in ihren Leitlinien nur noch unter wenigen Umständen vertreten. Kummer verwies dazu auf einen jüngst im "Journal of Medical Ethics" dargestellten Fall zweier Hebammen mit katholischer Werteüberzeugung, die aus Gewissensgründen weder zur direkten Mitwirkung an Abtreibungen noch zu deren Vor- oder Nachbereitung bereit waren. Dazu seien sie aber verpflichtet, entschied das britische Höchstgericht und verurteilte sie.
Einen ähnlichen Fall gab es im liberal-demokratischen Schweden, wo die Hebamme Ellinor Grimmark aus Gewissensgründen nicht an einem Schwangerschaftsabbruch mitwirken wollte, gegen das Spital klagte und verlor: Da die Region zur Schaffung eines effektiven Zugangs der Frauen zu Abtreibung verpflichtet sei, müssten Hebammen zu deren Mitwirkung bereit sein, entschied Ende November ein Gericht im Kreis Jönköping. Die Hebamme, die angab, sie wolle "Leben schützen und nicht töten", fand in Schweden keinen Job mehr und arbeitet heute in Norwegen.
Doch auch bei der aktiven Sterbehilfe dürfen sich Ärzte zusehends weniger auf ihr Gewissen berufen, verdeutlichte Kummer anhand von in Belgien geplanten Gesetzen, die u.a. die institutionellen Freiheit, keine Euthanasie durchzuführen, abschaffen sollen. Folglich könnte etwa ein Altenheim oder Krankenhaus seinen Ärzten nicht mehr verbieten, Euthanasie in den eigenen Räumlichkeiten durchzuführen. "Jede Palliativstation würde damit für Patienten potenziell zu einer aktiven Sterbehilfe-Station", so Kummer, die in der von Belgien beabsichtigten Ausweitung der aktiven Sterbehilfe das Ende der Freiheit der privaten Krankenhausträger und Altenheime sieht: "Sie dürften dann nicht mehr nach eigenen - etwa christlichen - Werten ihre Häuser führen."
Noch einen Schritt weiter sei man bereits in Kanada gegangen: Das Parlament habe hier im Februar 2016 in einer Empfehlung dazu aufgefordert, jene Ärzte, die selbst keine Euthanasie durchführen, per Gesetz dazu zu verpflichten, Sterbewillige an Kollegen weiterzuvermitteln, die Tötungen auf Wunsch durchführen oder bei Selbsttötungen kooperieren. Alle öffentlich geförderten Einrichtungen - auch konfessionelle - sollten zudem Töten auf Verlangen und assistierten Suizid selbst anbieten und durchführen und nicht bloß externe Anbieter ins Haus holen.
Dies zeige, dass ein "Ausgleich" gefunden werden müsse zwischen der Autonomie des Patienten, dem persönlichen Recht auf Gewissensfreiheit des medizinischen Personals und dem Versorgungsauftrag des Gesundheitswesens, so die Wiener Ethikerin Kummer, die Abtreibung und aktive Sterbehilfe als "Heilbehandlungen" in Frage stellte. Eine Lanze für die Gewissensfreiheit im medizinischen Sektor habe immerhin das Europäische Parlament gebrochen, indem es eine entsprechende Garantie im Jahr 2010 in einer Resolution festgehalten hatte.
Quelle: kathpress