Kardinal Schönborn präsentiert Papstschreiben "Amoris Laetitia"
"Amoris laetitia. Über die Liebe in der Familie" - so lautet der Titel des Papstschreibens, das am Freitag, 8. April, im Vatikan von Kardinal Christoph Schönborn und Kardinal Lorenzo Baldisseri im Vatikan präsentiert wurde. Darin ruft Papst Franziskus Bischöfe, Priester, Diakone, Ehepaare und alle Katholiken dazu auf, sich die Bedeutung der Ehe und der Familie neu bewusst zu machen. Der Papst rüttelt darin jedoch nicht - wie manche Stimme im Vorfeld einforderte - am Lehrgebäude der katholischen Kirche, aber er öffnet neue Zugänge dazu. So schafft er in dem Schreiben, das zugleich das Resümee der beiden Bischofssynoden zu Ehe und Familie 2014 und 2015 darstellt, erhebliche neue Freiräume: für die Gläubigen, für die Seelsorger und für die einzelnen Bischöfe.
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Franziskus stärkt auf der Seite der Betroffenen vor allem die Rolle des Gewissens und den Seelsorgern erteilt er die Lizenz zur besonnenen Abwägung. Der Einzelne soll nicht länger durch eine allzu schematische Anwendung moralischer Vorschriften bevormundet werden. "Wir sind berufen, die Gewissen zu bilden, nicht aber dazu, den Anspruch zu erheben, sie zu ersetzen", heißt es zu Beginn des Schreibens - nicht ohne eine gehörige Portion Selbstkritik. Die Kirche tue sich schwer, dem Gewissen der Gläubigen Raum zu geben, "die oftmals inmitten ihrer Begrenzungen, so gut es ihnen möglich ist, dem Evangelium entsprechen und ihr persönliches Unterscheidungsvermögen angesichts von Situationen entwickeln, in denen alle Schemata auseinanderbrechen", so der Papst.
Streitfall: Wiederverheiratete
Auch für die besonders heftig diskutierte Frage des kirchlichen Umgangs mit wiederverheirateten Geschiedenen stellt der Papst keine allgemeingültige Regel auf. Franziskus schließt eine Zulassung zum Kommunionempfang im Einzelfall nicht aus. Er übernimmt hier weitgehend den Vorschlag der deutschsprachigen Bischöfe während der Bischofssynode zu Ehe und Familie, der auch Eingang in das Papier fand, das die Bischofssynode dem Papst vorlegte. Das letzte Wort haben so auch bei Franziskus der Beichtvater und das Gewissen der Betroffenen. Auf die Frage des Kommunionempfangs geht er jedoch - abgesehen von einer bemerkenswerten Fußnote - nicht ausdrücklich ein.
Präsentation des Papst-Schreibens im Vatikan
Wiederverheiratete Geschiedene könnten in "gewissen Fällen" auch die "Hilfe der Sakramente" in Anspruch nehmen, heißt es dort. Franziskus deutet überdies zumindest an, dass es Einzelfälle geben könnte, in denen auch wiederverheiratete Geschiedenen, die in ihrer zweiten Verbindung nicht sexuell enthaltsam leben, die Kommunion empfangen könnten; und zwar dann, wenn die Treue in Gefahr gerate und die Kinder aus der ersten Verbindung in Mitleidenschaft gezogen würden. Nach kirchlicher Lehre können wiederverheiratete Geschiedene bislang nur dann zur Kommunion zugelassen werden, wenn sie mit ihrem neuen Partner wie "Bruder und Schwester" zusammenleben.
Auf den Umgang mit Homosexuellen und gleichgeschlechtlichen Paaren, der unter den Bischöfen ebenfalls besonders umstritten war, geht der Papst nur kurz ein. Er bekräftigt, dass gleichgeschlechtliche Partnerschaften nicht der Ehe angeglichen werden dürften, betont aber zugleich, dass auch solche Formen des Zusammenlebens den Betroffenen "einen gewissen Halt geben".
Schönborn: Keine "billigen Lösungen"
Wie Kardinal Schönborn am Rande der Präsentation gegenüber "Kathpress" betonte, warne der Papst in dem Schreiben vor "billigen Lösungen", wie sie in einer laxen Auslegung der kirchlichen Normen ebenso bestünden wie in einer allzu rigorosen: "Es gibt die klare Linie des Wortes Gottes, die muss immer in Erinnerung gerufen werden. Und dann gibt es das Hinschauen auf konkrete Situationen, und hier gibt es solche, wo die Hilfe der Sakramente berechtigt ist und ihren Platz hat."
Zugleich verwies Schönborn auf die seit rund 15 Jahren in der Erzdiözese Wien bewährte seelsorgliche Praxis der "Fünf Aufmerksamkeiten" im Umgang mit wiederverheiratet Geschiedenen - eine Praxis, die nun durch das päpstliche Schreiben sozusagen weltkirchlich geadelt wurde. Die "Aufmerksamkeiten" stellen eine Art Leitfaden des seelsorglichen, behutsamen Umgangs mit der Situation Wiederverheirateter dar - von Fragen des Situation der Kinder über die Schuldfrage, die Frage der Aussöhnung bis hin zur Gewissensprüfung. All diese Fragen und Aspekte betone auch Papst Franziskus in seinem Schreiben " in sehr großer Lebensnähe und Aufmerksamkeit", so Kardinal Schönborn abschließend.
Positive Reaktionen aus Österreich
Positiv wurde das Dokument von den österreichischen Bischöfen aufgenommen. So bezeichnete der Vorarlberger Bischof Benno Elbs, der Kardinal Schönborn als Deligierter der Bischofskonferenz im vergangenen Herbst auf die Synode begleitet hatte, das Dokument als eine Fortsetzung des "lebensnahen Weges", der mit der Familiensynode eingeschlagen wurde. Als eine "große Ermutigung" hat der Grazer Bischof Wilhelm Krautwaschl das Papstdokument "Amoris laetitia" gewürdigt. "Ich freue mich über die Art und Weise, wie unser Papst in diesem Dokument nach einem langen Prozess des Zuhörens, beginnend bei der weltweiten Befragung, argumentiert", unterstrich Krautwaschl. Und als einen "reichhaltigen Schatz" mit zahlreichen Impulsen wertete "Familienbischof" Klaus Küng das Schreiben. Von einer "wahrhaft pastoralen Wende" und "Neuausrichtung der Seelsorge im Umkreis von Scheidung und Wiederheirat" sprach indes in einer ersten Reaktion der Wiener Pastoraltheologe Paul Zulehner.
zuletzt bearbeitet von Henning Klingen
am 8. April 2016