"Flüchtlingshilfe mindert andere Caritas-Leistungen keineswegs"
Dem Eindruck, dass aufgrund der Flüchtlingshilfe andere Leistungen der Caritas zurückgefahren werden, hat der Wiener Caritas-Generalsekretär Klaus Schwertner mit deutlichen Worten widersprochen. "lch werde momentan nicht müde, es immer wieder zu betonen: Auch wenn es vielleicht bei manchen Menschen so ankommt, als würden wir uns derzeit ausschließlich in der Flüchtlingsarbeit engagieren, das Gegenteil ist der Fall", erklärte Schwertner in einem Interview für die aktuelle Ausgabe der Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag".
In den vergangenen Wochen und Monaten seien die Angebote für bedürftige Einheimische "nicht nur fortgeführt, sondern auch ausgebaut" worden. Das Engagement für Flüchtlinge werde gemeinsam mit vielen Pfarren und der Zivilbevölkerung zusätzlich zu dem betrieben, was die Caritas bereits vorher geleistet habe, so Schwertner. Nach Überzeugung der Caritas gehe es nicht um ein "Entweder-oder" - also Hilfe für Flüchtlinge oder für Einheimische -, sondern um ein "Sowohl-als-auch". Schwertner wörtlich: "Die Zeiten sind natürlich fordernd, und das sollte man nicht kleinreden." Aber zuletzt habe sich auch "gezeigt, wie vieles möglich ist, wenn alle zusammenhelfen". Seit letztem Sommer hätten sich allein bei der Caritas Österreich 15.000 Freiwillige gemeldet, die "anpacken und helfen" wollen.
Der Generalsekretär bedauerte zugleich die "zunehmende Polarisierung in der Gesellschaft". Durch eine zum Teil "angstgetriebene Politik" nehme die Verunsicherung in der Bevölkerung unnötig zu. "Als Caritas sagen wir daher ganz klar: Wer dieses Land liebt, spaltet es nicht", wiederholte Schwertner ein mehrfach betontes Wort von Caritas-Präsident Michael Landau.
Flüchtlingsthema politisch "instrumentalisiert"
Scharfe Kritik äußerte Schwertner an der von der oberösterreichischen Landesregierung betriebenen Kürzung der Mindestsicherung für Asylberechtigte und subsidiär Schutzbedürftige. "Ein bisschen hat man den Eindruck, als wird aktuell das Flüchtlingsthema von jenen instrumentalisiert, die schon immer Kürzungen bei der Mindestsicherung vornehmen wollten." Diese garantiere kein Leben in Luxus, sondern verhindere ein Abrutschen in Armut. Als "Mythos, der sich verfestigt hat", bezeichnete Schwertner die mancherorts behauptete Wahlfreiheit, ob jemand arbeiten geht oder Mindestsicherung bezieht. Schon jetzt bestünden "ganz klare Kriterien, wann Mindestsicherung in welcher Höhe beantragt werden kann, und wann es auch zu entsprechenden Sanktionen kommt".
Der Caritas-Vertreter nahm angesichts der Flüchtlingskrise auch die EU in die Pflicht. Europa müsse mehr einfallen, als sich von der Not abzuschotten. "Kein Grenzzaun, keine Mauer, kein böses Wort kann Flüchtlinge davon abhalten, vor Krieg und unglaublicher Not zu fliehen", sagte Schwertner. Derzeit sei die Hilfe in den Krisenregionen "zu einem Modebegriff in Sonntagsreden von Politikern geworden". In Wirklichkeit habe es in den letzten Jahren Kürzungen und keine Aufstockung gegeben. Den Absichtserklärungen sollten Taten folgen, zumal die Hilfe vor Ort mit vergleichsweise geringen Mitteln Großes leisten könne.
Herausforderung Integration
In Österreich müssten gleichzeitig die Bemühungen um eine bestmögliche Integration der anerkannten Flüchtlinge verstärkt werden. Schwertner nannte Bildung und Spracherwerb, leistbaren Wohnraum sowie Arbeitsmarktzugang als jene drei großen Themenbereiche, "mit denen sich nicht nur die Caritas, sondern die Gesellschaft und auch die Politik insgesamt beschäftigen müssen". Freiwillige leisteten auch hier Enormes: Nach der Ersthilfe des vergangenen Halbjahres würden sich nun viele für Deutschkurse, Kinderbetreuung oder die Begleitung bei Behördenwegen engagieren. Manche Privatpersonen öffneten ihre Türe, würden ihr Zuhause mit einem Flüchtling teilen. "Was gibt es Besseres für dieses Ankommen in einem neuen Land, wenn man bei Österreichern wohnen kann oder neue Freunde gewinnt, die einem bei diesem Neuanfang helfen?", fragte Schwertner.
Die Caritas suche nach wie vor dringend Privatquartiergeber. Bei der konkreten Gestaltung der Flüchtlingsaufnahme biete die Caritas allen Beteiligten Beratung und Begleitung. "Wir kennen Fälle, bei denen es sehr gut funktioniert, und die sind auch wegweisend für die Integration", berichtete Schwertner.
Meldungen aus Deutschland, wonach geflüchtete Menschen mit christlichem Glauben in Flüchtlingsquartieren von Muslimen gemobbt werden, kennt der Caritas-Mitarbeiter hierzulande nur von Einzelfällen. In den Quartieren der Caritas der Erzdiözese Wien sei ihm diesbezüglich bis jetzt nichts bekannt, "aber wir haben natürlich die entsprechende Sensibilität". Dass jemand aufgrund seines Glaubens oder der sexuellen Orientierung diskriminiert wird, sei für die Caritas ein No-go - "ganz gleich, ob in einer Flüchtlingsunterkunft oder in einer Unterkunft für wohnungslose Menschen".
Quelle: kathpress