Schönborn spricht christlichen Flüchtlingen im Irak Mut zu
Tief betroffen von der Not der im Irak vor der Terrormiliz IS geflüchteten Christen hat sich Kardinal Christoph Schönborn gezeigt. Der Wiener Erzbischof hält sich noch bis Mittwoch in Erbil, der Hauptstadt der autonomen irakischen Region Kurdistan auf, wo er Flüchtlingslager besucht und Gespräche mit kirchlichen und politischen Vertretern führt. Bei Besuchen in verschiedenen Flüchtlingslagern sprach der Kardinal den Menschen Mut zu und versicherte sie seiner Solidarität.
Allein im Sommer 2014 waren rund 120.000 Christen vor den IS-Milizen in die sicheren kurdischen Autonomiegebiete des Irak geflohen. Dort lebt die Mehrzahl von ihnen nach wie vor als Flüchtlinge. In der Region Erbil sind es rund 50.000. Die Menschen harren in Lagern mit Containern oder anderen Notunterkünften - beispielsweise notdürftig ausgestattete Rohbauten - aus. Die Menschen hätten binnen weniger Stunden vor dem IS fliehen müssen und alles verloren, sagte Kardinal Schönborn am Dienstag vor Ort im Interview mit der katholischen Presseagentur "Kathpress". Die Geflohenen würden sich nichts sehnlicher wünschen, als wieder in ihre Heimat zurückzukehren. Freilich seien sie sehr skeptisch, ob dies jemals wieder möglich sein wird. Das Misstrauen der Christen gegenüber den Muslimen sitze sehr tief, räumte der Kardinal ein.
Die Kirche betreibt in Erbil u.a. vier Flüchtlingscamps für rund 10.000 Menschen. Noch einmal so viele Flüchtlinge sind in von der Kirche angemieteten Wohnungen untergekommen. Die Kirche leistet auch Nahrungsmittelhilfe und hat zwei medizinische Zentren und 14 Schulen eröffnet. Vor kurzem nahm auch die erste katholische Universität in Erbil ihren Betrieb auf.
Unterstützung statt Aderlass
Zwar sei verständlich, dass viele Christen in den Westen wollen, ihre Flucht wäre aber ein großer Verlust für den Irak, sagte Kardinal Schönborn. Das sei inzwischen auch vielen weitblickenden Muslimen klar. Umso notwendiger sei es, dass der Westen die Christen vor Ort im Irak unterstützt, betonte der Wiener Erzbischof. Diese Botschaft werde er vor allem auch der österreichischen Regierung von seiner Reise mitbringen. Es seien vergleichsweise wenige Mittel notwendig, um den Menschen vor Ort zu helfen. "Wenn sie spüren, dass sie von Europa unterstützt werden, dann bleiben sie auch eher hier", zeigte sich der Kardinal überzeugt. Inakzeptabel sei es aber, in diesem Bereich zu sparen und zugleich Zäune zu errichten.
Schönborn war am Montagnachmittag in Erbil vom kurdischen Innenminister Kerim Sinjari, dem chaldäisch-katholischen Erzbischof von Erbil, Bashar Warda, dem syrisch-katholischen Erzbischof von Mosul, Boutros Moshe, und dem syrisch-orthodoxen Erzbischof von Mosul, Mor Nikodemus David Sharaf, empfangen worden. Der kurdische Innenminister erläuterte dem Kardinal die schwierige Situation der von der Terrormiliz IS vertriebenen Binnenflüchtlinge, die in Kurdistan Zuflucht gesucht hätten. Ohne zusätzliche internationale Hilfe sei es den Behörden nicht möglich, die Flüchtlinge ausreichend zu versorgen, sagte Sinjari. Insgesamt leben in Kurdistan derzeit rund 1,8 Millionen Binnenvertriebene, unter ihnen Muslime, Christen und Angehörige anderer Minderheiten wie die Jesiden. Dazu kommen weitere 250.000 Flüchtlinge aus Syrien.
Der Innenminister versicherte dem Kardinal, dass für die kurdische Regierung die Christen ganz elementar zum Land gehörten. Zugleich warnte er Europa, zu naiv gegenüber den ankommenden Muslimen zu sein. Fundamentalistischen islamistischen Tendenzen müsse Europa entschieden entgegentreten. Wie Schönborn gegenüber "Kathpress" im Anschluss sagte, gelte es diese Warnung ernst zu nehmen und diesbezüglich einen offenen Dialog mit den Muslimen zu führen. Am Montagabend war Kardinal Schönborn auch zu einer ersten Unterredung mit dem chaldäisch-katholischen Patriarchen Louis Sako zusammengetroffen. Dieser war von der irakischen Hauptstadt Bagdad nach Erbil gekommen und begleitete den Wiener Erzbischof bei seinem Besuch.
Quelle: kathpress