Integration macht wirtschaftlich Sinn
Flüchtlinge und Zuwanderer sind in erster Linie keine Problem für Österreich sondern eine Chance und Bereicherung für die gesamte Gesellschaft. Das haben Caritas-Präsident Michael Landau und der Direktor des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO), Karl Aiginger, betont. Bei einem Pressegespräch am Dienstag in Wien rief Landau die Politik auf, sich an der Wirtschaft ein Beispiel zu nehmen. Es gebe eine Reihe von Projekten, die zeigen, wie das Zusammenspiel von Integration und Wirtschaft gelingen können. Viele Flüchtlinge seien eine Bereicherung für den Arbeitsmarkt. Sie seien in der Regel motiviert zu arbeiten und würden auch entsprechende Fähigkeiten mitbringen.
Dazu sei freilich ein möglichst rascher rechtlicher Zugang von Flüchtlingen zum Arbeitsmarkt ebenso notwendig wie zusätzliche Investitionen in Starthilfe-Maßnahmen, forderte Landau. Konkret nannte der Caritas-Präsident u.a. Deutschkurse, Kompetenzchecks, Qualifikationsanerkennungen sowie Grund- und Fortbildungen. Das sei "menschlich und wirtschaftlich richtig" und würde sich langfristig für Österreich rechnen. Flüchtlinge und Arbeitslose dürften aber nicht gegeneinander ausgespielt werden, warnte Landau.
WIFO-Direktor Aiginger zeigte in diesem Zusammenhang sinnvolle Ansätze auf. Viele schon früher nach Österreich gekommene Flüchtlinge und Migranten hätten keinen ihrer Qualifikation entsprechenden Job gefunden. Bestehende Qualifikationen würden in Österreich nicht anerkannt. So müssten Hochschulabsolventen als Taxifahrer arbeiten, illustrierte der WIFO-Chef. Könnte sie entsprechend ihren Qualifikationen arbeiten, würden wieder weniger qualifizierte Jobs für nachrückende Personen frei, so Aiginger.
Die Flüchtlinge und Migranten seien für Europa die Chance, beispielsweise das Pflegeproblem oder die Überalterung des Kontinents in den Griff zu bekommen, so Aiginger. Auch viele Jobs und Aufgaben im Kleingewerbe, für die es keine Österreicher mehr gebe, könnten von Migranten übernommen werden.
Integration "machbar" trotz hoher Arbeitslosigkeit
Er wisse wohl, so der WIFO-Direktor, dass die angedachten Integrationsmaßnahmen angesichts der gegenwärtigen Rekord-Arbeitslosigkeit kein leichtes Unterfangen seien, "aber es ist machbar". Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen brauche es sowohl für Einheimische wie Migranten.
Die gegenwärtige Flüchtlingskrise ist für den WIFO-Chef hausgemacht. Bevor nun in Europa neue Zäune errichtet werden, habe es schon lange Zeit "Zäune in unseren Köpfen" gegeben, sagte Aiginger. Europa habe sich in den vergangenen Jahren schlicht nicht um die angrenzenden Nachbarregionen gekümmert. Der Nahe Osten oder auch Nordafrika wären Hoffnungsmärkte und potenzielle gute Wirtschaftspartner, wenn es keine kriegerischen Auseinandersetzungen gäbe.
Es brauche deshalb zur Eindämmung der Flüchtlingsströme vor allem auch mehr Hilfe in den Krisenregionen vor Ort. Aiginger sprach in diesem Zusammenhang von Freihandelszonen in begrenzten Regionen vor Ort, die von der internationalen Staatengemeinschaft gesichert werden und in denen die Wirtschaft wieder aufgebaut wird. Das würde auch den Menschen in der Region eine Perspektive eröffnen, um in Folge in ihrer Heimat bleiben zu können.
Warnung vor Zäunen
Eindringlich warnte Aiginger vor dem Errichten von neuen Zäunen in Europa. Das hätte auf die Wirtschaft verheerende Auswirkungen. Österreich habe immer dann wirtschaftlich profitiert, wenn in Europa Grenzen geöffnet wurden, betonte der Wirtschaftsexperte.
Österreich müsse sich entscheiden, was es wolle, ergänzte Caritas-Präsident Landau. "Wir können nicht ein möglichst hässliches und abschreckendes Gesicht für Flüchtlinge zeigen, ein halbfreundliches für Pflegekräfte aus Osteuropa und ein freundliches für Führungskräfte und Wirtschaftstreibende aus dem Westen. Das geht nicht."
Jedwede Zäune, Obergrenzen oder Asyl auf Zeit seien nicht nur rechtlich bedenklich, sondern auch politisch und wirtschaftlich nicht sinnvoll und schon gar nicht menschlich, so Landau weiter. Solche Maßnahmen würden nur neues Flüchtlingsleid mit sich bringen, neue Fluchtrouten würden entstehen und die Profite der Schlepper würden weiter steigen.
Eindringlich warnte Landau die heimische Politik davor, die vorhandene Willkommenskultur im Land zu untergraben um am Ende auch noch jenen vielen Freiwilligen, die sich für Flüchtlinge einsetzten und einsetzen, Mitschuld an der vermeintliche Überforderung Österreichs zu geben. "Hier wird Solidarität verbrannt. Die Not anderer darf uns nicht gleichgültig sein. Die Not anderer geht uns an", so der Caritas-Präsident wörtlich.
Ausbildung für Flüchtlinge
Wie Landau im Rahmen des Pressegesprächs berichtete, hätten bereits zahlreiche Unternehmen das Potenzial der Flüchtlinge erkannt. Sie würden einerseits die Caritas bei Hilfsmaßnahmen für Flüchtlinge in den Herkunftsländern wie auch in Österreich unterstützen und andererseits auch spezielle Lehrstellen bzw. Ausbildungssplätze für Flüchtlinge andenken oder bereits umsetzen, wie dies etwa bereits bei der REWE-Gruppe oder bei der Voestalpine der Fall sei.
Das Pressegespräch fand im Caritas-Hotel "magdas" statt, das vor rund einem Jahr eröffnet wurde. In dem Hotel arbeiten 20 anerkannte Flüchtlinge gemeinsam mit zehn Hotel-Experten zusammen. Caritas-Präsident Landau sprach von einem Vorzeigeprojekt, wie Integration gelingen könne.
Quelle: kathpress