Zsifkovics mahnt unsolidarische EU-Länder
Rasche solidarische europäische Maßnahmen zur Lösung der Flüchtlingsfrage hat der Eisenstädter Bischof Ägidius Zsifkovics eingemahnt. Im "Kathpress"-Interview forderte der Bischof am Donnerstag, dass alle EU-Mitgliedsstaaten ihren Beitrag leisten müssten. Wenn sich ein Land dem verweigere, dann müsse das auch "Konsequenzen" haben. Von Grenzzäunen zwischen EU-Staaten hielt der Bischof nichts und auch zum "Asyl auf Zeit", wie es die österreichische Regierung nun plant, äußerte sich Zsifkovics äußerst skeptisch.
Der Eisenstädter Bischof war vor wenigen Tagen bei der diesjährigen Herbstvollversammlung der EU-Bischofskommission ComECE in Paris zum Koordinator für Flüchtlingsfragen ernannt worden. Er soll künftig die kirchlichen Aktivitäten und Positionen in der Flüchtlingsfrage innerhalb der EU koordinieren und die kirchlichen Positionen auch gegenüber den politisch Verantwortlichen in der EU und in den einzelnen Mitgliedsstaaten vertreten.
Friede, Aufnahme und Solidarität
Drei Forderungen, die er als Flüchtlingskoordinator besonders nachdrücklich verfolgen will, strich Zsifkovics im "Kathpress"-Gespräch heraus. "Erstens müssen wir endlich die Ursachen des Flüchtlingsströme entschieden bekämpfen. Die politisch Verantwortlichen müssten sich viel stärker als bisher für ein Ende der Kriege im Nahen Osten engagieren. "Wenn wir das weiter vor uns her schieben, dann brauchen wir uns nicht wundern, dass diese Katastrophe weitergeht", so der Bischof wörtlich.
Zweitens müsse es bei Aufnahme und Betreuung von Flüchtlingen endlich ein EU-weites gut koordiniertes Zusammenspiel geben. Das "Durchwinken" von Flüchtlingen bzw. ein Hin- und Herschieben von Verantwortlichkeiten zwischen einzelnen Mitgliedsstaaten bzw. zwischen den Staaten und der EU-Kommission müsse endlich ein Ende finden, forderte Zsifkovics. So würden nur neue Feindbilder geschaffen, warnte der Bischof.
Drittens brauche es mehr solidarisches Handeln. Zsifkovics: "Es kann nicht sein, dass einige Länder alles machen müssen und anderen tun nichts." Es gehe nicht an, "auf der einen Seite Subventionen von der EU zu empfangen, andererseits aber nicht solidarisch zu sein, wenn man auch etwas geben muss", so der Bischof.
Weiters sprach sich Zsifkovics für klare Regelungen an den EU-Außengrenzen aus. Alle EU-Mitgliedsstaaten seien freilich verpflichtet, den betroffenen Grenzländern umfassend zu helfen, beispielsweise finanziell und personell, oder beim Aufbau entsprechender Strukturen zur Bewältigung der Flüchtlingsfrage. "Wenn die Außengrenzen nicht gesichert sind, dann müssen wir damit rechnen, dass innerhalb der EU wieder Zäune errichtet werden", warnte der Bischof. Zäune seien jedoch keine Lösung. Zsifkovics: "Ich bin gegen Zäune, denn ich bin in als Kind neben dem Zaun des Eisernen Vorhangs aufgewachsen und ich weiß, dass uns diese Zäune nichts Gutes gebracht haben."
Keine Abwanderung fördern
Zum von der heimischen Regierung geplanten "Asyl auf Zeit" äußerte sich Zsifkovics skeptisch. Es sei "sehr problematisch", wenn Menschen, die sich bereits zumindest teilweise integriert hätten, dann "aus dieser neuen Verwurzelung wieder herausgerissen" würden. Besser sei es, gleich am Anfang festzustellen, ob Menschen vor einer tatsächlichen Gefährdung um Leib und Leben geflohen sind oder ob es ausschließlich wirtschaftliche Gründe waren.
Vertreter der letzteren Gruppe sollten in den Augen des Bischofs vielmehr "ihr eigenes Land aufbauen". Zsifkovics weiter: "Wir müssen aufpassen, dass wir nicht durch eine bestimmte Flüchtlingspolitik die Abwanderung aus bestimmten Teilen der Welt noch fördern." Vielen Ländern würde so die Intelligenz und die wertvollsten Arbeitskräfte verloren gehen.
Der mit den Flüchtlingsagenden beauftragte Bischof bekräftigte gegenüber "Kathpress" weiters, dass sich die Kirche auch in den in der Kritik stehenden osteuropäischen EU-Mitgliedsstaaten um die Flüchtlinge annehme. "Die Kirche bemüht sich in allen Ländern nach Maßgabe der Möglichkeiten um Hilfe für Flüchtlinge und die Achtung der Menschenwürde und Menschenrechte." Die politisch Verantwortlichen müssten jedoch zu einem Umdenken bewegt werden.
Dauerauftrag für die Kirche
Die Zuwendung zu den Armen, Notleidenden und Heimatlosen ist laut Zsifkovics ein "Dauerauftrag der Kirche" und zugleich einer der Schwerpunkte der Diözese Eisenstadt zum Jubiläumsjahr ihres vor 1.700 Jahren geborenen Patrons, des heiligen Martin von Tours, das am 11. November beginnt. "Im Burgenland ist das Boot noch nicht voll", betonte der Bischof. Als Land an der Grenze sei man sich bewusst, "dass es immer wieder Menschen geben kann, die verfolgt werden und ihre Heimat verlassen müssen. Für diese Menschen müssen wir auch weiterhin unsere Häuser offen lassen."
In seiner Diözese Eisenstadt habe er schon im Frühjahr zu einem ersten Flüchtlingsgipfel geladen, berichtete der Bischof im "Kathpress"-Gespräch. In vielen Pfarren und bei vielen Gläubigen habe es anfangs große Skepsis und auch viele Ängste hinsichtlich der Flüchtlinge gegeben. Mit vielen Gesprächen und viel Information sei es freilich gelungen, bei vielen ein Umdenken zu bewirken. In vielen Pfarren gebe es inzwischen große Offenheit für Flüchtlinge, wie er auch immer wieder bei Pfarrbesuchen erlebe. Dabei habe sich gezeigt, dass sich die Pfarren leichter damit tun, Familien aufzunehmen und zu integrieren.
Notwendig sei es auch, die Verhältnismäßigkeit zwischen der Zahl der aufgenommenen Flüchtlinge und der Bevölkerungszahl in den Gemeinden nicht aus den Augen zu verlieren. Auch im Bischofshaus in Eisenstadt und im diözesanen Bildungshaus seien einige Familien untergebracht, berichtete der Bischof, der zugleich lobend die Arbeit der Caritas hervorhob.
Quelle: kathpress