"So leben, dass man jede Nacht sterben könnte"
"Du sollst jeden Tag so beenden, dass du in der Nacht auch sterben könntest": Diesen Ratschlag des großen Theologen und Jesuiten Karl Rahner legt der Wiener Dogmatiker Jan-Heiner Tück jedem ans Herz. Schließlich beeinflusse die Art und Weise des Lebens die Art und Weise des Sterbens. "Wenn man sich um eine gute Lebensführung bemüht und immer wieder zur kritischen Selbstrevision bereit ist, dann kann man wohl getrost in die letzte Phase des Lebens, das Sterben, hineingehen", so der Theologe in einem Interview in der aktuellen Ausgabe der Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag".
Eine geordnete und reflektierte Lebensweise zahle sich auch mit Blick auf das Leben nach dem Tod aus, für das es laut der Eschatologie, der klassischen Lehre von den letzten Dingen, drei Orte gibt: Die Hölle, das Fegefeuer und den Himmel. Einen direkten Zugang zum Himmel werde es laut Tück nur für die "wenigen Heiligen geben, die schon hier ein gleichsam heiligmäßiges Leben geführt haben".
Wer sich um ein gutes Leben bemüht hat, aber noch "dunkle Momente in seiner Biographie hat, die aufhellungsbedürftig sind", dürfe mit einem "therapeutischen Läuterungsprozess" im Fegefeuer rechnen. Als eine "postmortale Folterkammer" dürfe man sich das Purgatorium aber nicht vorstellen, sondern als einen Ort der Heilung und Reinigung, wie der Dogmatiker betont.
Wer es laut Kirchenlehre in den Himmel schafft, darf sich über ein "Leben in Fülle" freuen, das aber bedeutend mehr sei als eine bloße quantitative Verlängerung des Lebens, wie sie aktuell etwa von der Biotechnologie angestrebt werde. "Fülle des Lebens" besage, "dass es keine Eintrübungen mehr gibt, dass es Freude, dass es gelingendes Leben, dass es bruchlose Gemeinschaft gibt, und dazu sind wir als Menschen allein nicht in der Lage". Mehr als "Ahnung und Vorgeschmack" auf die Fülle des Lebens habe das Mängelwesen Mensch noch nicht.
Hölle müsse man sich als definitiven Zustand des Heilsverlustes vorstellen, erklärt Tück. Gleichzeitig erlaube die Barmherzigkeit und Liebe Gottes die berechtigte Hoffnung, dass schlussendlich niemand in der Hölle landen werde. Einer "Friede-Freude-Eierkuchen"-Theologie erteilt der Theologe aber eine Absage. Wolle man den Ernst der menschlichen Freiheitsgeschichte ernst nehmen, müsse man auch die Hölle ernst nehmen. "Es gibt die Möglichkeit, dass Menschen sich definitiv verweigern und sich nicht erlösen lassen wollen."
Quelle: kathpress