Gesellschaft und Kirche fordern Neustart
In der Debatte um die Schulreform haben eine Vielzahl von Gesellschaftsakteuren - darunter auch mehrere Kirchenvertreter - im Rahmen der "Initiative Neustart Schule" konkrete Erwartungen an die Bundesregierung formuliert, die ihrerseits bis 17. November Vorschläge vorlegen will. Mehr Autonomie der Schulen, eine schlanke Verwaltung sowie die Aufwertung der Elementarbildung waren die Grundforderungen, die am Dienstag in einer gemeinsamen Pressekonferenz präsentiert wurden. Gemeinsamer Fokus der kirchlichen Experten war vor allem die Chancengleichheit für alle Schüler.
"Schule ist für die Kinder da, nicht die Kinder für die Schule", betonte Diakonie-Direktor Michael Chalupka. Die Segregation von Kindern etwa nach Sozialstatus und Herkunft müsse überwunden und hochqualitative Bildung für alle gesichert sein, so seine Forderung. Erreichbar sei dies über "mehr Autonomie statt Gängelung" der Schulstandorte, an denen jeweils die Lehrer mit den Eltern und Schülern gemeinsam ein Profil ihres Standorts erarbeiten und Bildungskonzepte darauf anpassen sollten, so der Diakonie-Vorschlag. Chalupka sprach sich zudem für den gemeinsamen Unterricht aller Schüler von sechs bis 14 Jahren aus.
Dass die jeweilige Schule am besten wisse, was sie zur Überwindung von Schwierigkeiten in der Klasse brauche, verdeutlichte auch Caritas-Sozialreferentin Judit Marte-Huainigg: "Den Schulen fehlt bisher nur die Möglichkeit, gut und rechtzeitig auf die Schwierigkeiten zu reagieren, da es etwa keinen Sozialarbeiter an der Schule gibt oder weil man für einen dringend benötigten Therapieplatz oft zwei bis drei Jahre wartet", so die Caritas-Expertin. Besser wäre die Situation, würden die Bildungsgelder direkt weitergeleitet: Von der durchaus guten finanziellen Ausstattung des österreichischen Schulsystems würden zu viele Ressourcen in den Amtsstuben versickern, statt an den Schulen anzukommen, "es ist wie ein Sandsack, der Löcher hat", kritisierte Marte-Huainigg.
Von derartigen Maßnahmen würden besonders Kinder mit besonderen Bedürfnissen profitieren, erklärte Marte-Huainigg, die auch eine Neuausrichtung in der Pädagogik forderte: Von Integrationslehrern, die schon seit langem Kinder mit Lernbehinderung durch individuelles Eingehen und Integration im Klassenverband "mitnehmen", könne die Schule "wahnsinnig viel lernen". Diese Kompetenzen auch in der regulären Lehrerausbildung zu trainieren, sei von der Regierung nun erfreulicherweise angedacht, die gleichzeitige Abschaffung der Heilpädagogik als zusätzliche Expertise sei jedoch ein "Fehler" gewesen, so die Sozialreferentin.
Kirchliches "Zukunftsforum" im November
Viele Anliegen der Initiative "Neustart Schule" stimmen mit Vorschlägen aus der Expertengruppe des "Zukunftsforums" der katholischen Kirche überein, erklärte Josef Pumberger, Generalsekretär der Katholischen Aktion Österreich (KAÖ). Gezielt wolle das von der Bischofskonferenz in die Wege geleitete Zukunftsforum - dessen Abschlusshearing sich Ende November speziell dem Bildungsthema widmen und Vorschläge formulieren wird - durch Vernetzung Synergien nutzen und "gemeinsam mit der Initiative etwas auf den Weg bringen", so Pumberger. Ein Thesenpapier des Forums ist bereits derzeit online unter http://zukunftsforum3000.at abrufbar.
Konkreten Verbesserungsbedarf ortete der KAÖ-Generalsekretär bei der Qualitätssicherung der Schulen. "In Österreich ist man hier sehr auf Unterrichtsergebnisse fixiert, doch sind auch der Unterrichtsprozess, die Aus- und Fortbildung der Lehrer, Schulführung und -management sowie das Schul- und Klassenklima Bereiche, die von einem guten Qualitätsmanagement erhoben werden müssten", betonte Pumberger. Ansätze, um Dinge richtig zu tun, existierten längst, "in der Praxis gibt es jedoch noch viel Luft nach oben".
Als Unterstützer oder Partner der Schulreform-Initaitive traten auch Vertreter der Bundesjugendvertretung sowie des Roten Kreuzes, Hilfswerks, der Wirtschaftskammer, von EduCare, dem Verband der Elternvereine und der Jungen Industrie auf. Österreich sei "selbstverschuldet rohstoffarm", wenn Bildung der Rohstoff des 21. Jahrhunderts ist, befand Bildungsvolksbegehrens-Gründer Hannes Androsch, der u.a. klare Bundeszuständigkeit sowie eine schlankere, entpolitisierte Schulorganisation einforderte. Industriellenvereinigungs-Präsident Georg Kapsch, der Initiator von "Neustart Schule", pochte auf mehr Schulautonomie und ein neues Trägermodell.(Informationen: www.neustart-schule.at)