"Hier bin ich, sende mich"
Wasserfontänen steigen in den blauen Himmel über dem Petersplatz und rieseln zurück auf die Tausenden Jugendlichen, die hier unter sengender Sonne zusammengekommen sind. Die Helfer an den Schläuchen werden von ihnen wie Helden bejubelt, denn es sind fast 40 Grad. Vor dem Petersdom spielt eine Band rhythmische Musik mit spirituellen Texten, 16-, 17-jährige Jungen und Mädchen stehen dazu auf ihren Stühlen und klatschen mit. An den Schwellen der Apostelgräber herrscht Festivalstimmung. Die internationale Ministrantenwallfahrt nach Rom hält, was sich die jungen Pilger aus 23 Ländern davon versprochen haben dürften: Sie feiern an diesem Dienstag eine sommerliche Mischung aus Teenagerevent, globaler Begegnung und religiöser Erfahrung. Und warten nun auf Papst Franziskus.
Aus Portugal, Frankreich und Ungarn, der Ukraine, Indien und Brasilien, der Schweiz und Argentinien sind "Minis" angereist. Am häufigsten zwischen den Nationalfahnen flattert aber österreichisches Rot-Weiß-Rot. Ein Drittel der fast 10.000 Ministranten kommt aus den Diözesen Österreichs, Mindestalter 12 Jahre. In rund 60 Bussen sind sie am Sonntag an den Tiber gerollt, erzählt Mayella Gabmann, verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit der Katholischen Jungschar in der Diözese Linz. Der Wagen ihrer Ministranten steckte zwischendurch wegen einer Panne zwei Stunden lang fest, was die Reiselust nicht dämpfte. "Die meisten sind zum ersten Mal in Rom und begeistert von der Stadt und ihren alten Gebäuden."
Am Morgen waren die Linzer auf der Kuppel des Petersdoms, auch schon in der Basilika Santa Maria Maggiore. Besuche in Katakomben, ein großes Österreicher-Fest vor dem mächtigen Gotteshaus Sankt Paul vor den Mauern und ein Tag am Mittelmeer stehen bis Ende der Woche auf dem Plan. "Jede Gruppe macht ihr eigenes Programm", so Gabmann. Die Anreize inmitten frühkirchlicher Spuren und weltkirchlicher Gegenwart sind für die Jugendlichen in diesen Tagen zahlreich in Rom.
Noch trägt die 18-jährige Viktoria aus Linz das rote Halstuch der österreichischen Teilnehmer. Vielleicht hat sie es bald schon gegen ein dunkelgrünes oder hellblaues eingetauscht, denn jedem Land haben die Organisatoren vom Internationalen Ministranten-Verbund CIM eine andere Farbe zugedacht. Die Idee soll buchstäblich zum "Austausch" und zum Gespräch der Jugendlichen über Grenzen hinweg einladen. "Das ist ein schönes und nützliches Erkennungszeichen", findet die junge Frau. "In der ganzen Stadt stößt man ständig auf Gleichgesinnte aus aller Welt." Das stimmt: Von der Spanischen Treppe bis zum Kolosseum, vom Bahnhof Termini bis in die Tunnel der Metro leuchten einem dieser Tage die bunten Farben einer katholischen "Jugend-Internationale" entgegen.
Mit acht Jahren, sofort nach ihrer Kommunion, wurde Viktoria Messdienerin und blieb es. "Mir gefiel immer diese harmonische Gemeinschaft mit Gleichaltrigen und die Möglichkeiten in der Freizeit. Es geht ja beim Ministrant-Sein nicht nur um den Altardienst, sondern auch um die Aktivitäten in der Gruppe."
Dahinter stehe wohl auch das Gefühl, dass Jugendliche im Zeitalter medialer Vereinzelung kaum noch verbindliche und ideelle Organisationsangebote für ihre Generation finden, meint Mayella Gabmann. In Österreich erreicht dieses Angebot weiterhin viele. 45.000 Kinder und Jugendliche - 56 Prozent davon Mädchen - dienen hier als Ministranten, die meisten gehören auch zur Jungschar. Ob diese vergleichsweise hohe Zahl auch für eine relativ stabile Glaubensbasis unter der österreichischen Jugend insgesamt steht, vermag die Öffentlichkeitsbeauftragte nicht zu sagen. "Von Nachwuchsproblemen ist mir aber nichts bekannt."
Als die Monitorwände plötzlich das nahende Papamobil mit Papst Franziskus einblenden, wird es noch lauter auf dem Petersplatz. Bei vielen Gelegenheiten, besonders auf seinen Reisen, hat dieser Papst ähnlich wie Johannes Paul II. den Draht zu katholischen Jugendlichen gefunden. Seine zwei trubeligen Runden über den Platz unternimmt er gemeinsam mit zwei kleinen Ministranten, die er zur Mitfahrt in den weißen Jeep eingeladen hat. Bei der folgenden Gebetsfeier verwendet er mehrmals die deutsche Sprache. Seine italienische Predigt wird von einem Kurialen auch auf Deutsch verlesen.
Als "Freunde Christi" und Missionare der Nächstenliebe spricht Franziskus die jungen Gläubigen an und dankt ihnen für ihre Bereitschaft am Altar. Ihren Glauben sollten sie nicht als Refugium verstehen, sondern ihn hinaustragen und mit anderen teilen. "Wenn wir uns auch eingestehen, dass wir klein und schwach sind, ist es doch eine Quelle echter Freude zu wissen, dass wir mit Jesu Hilfe Kraft bekommen und im Leben eine große Reise in seiner Begleitung unternehmen können." Zweimal zitiert der Papst das Motto dieser Wallfahrt aus dem Buch Jesaja, die auf jedem Halstuch steht: "Hier bin ich, sende mich". Am Ende der Feier nimmt er sich noch fast eine halbe Stunden Zeit, um mit etlichen Messdienern persönlich zu sprechen.
Die 14-jährige Katharina hatte Glück und bekam einen Platz ganz oben, nur 20 Meter vom Papst entfernt. "Seine Worte fand ich inspirierend. Für Messdiener ist es schon etwas Besonderes wenn in einer Predigt mal über sie selbst gesprochen wird - und auch noch vom Papst persönlich." Dann verschwindet das Mädchen rasch in einem Meer bunter Halstücher.